In Berlin hui, in Bayern pfui: Seehofer hat ein Filzproblem
Während CSU-Chef Seehofer in Berlin reüssiert, ist die Partei daheim in der Krise. 75 Prozent der Wähler halten sie für "verfilzt".
WILDBAD KREUTH taz Am dritten Tag kommt der Gast aus Berlin. Gerade eben hat Horst Seehofer noch zur Konjunkturpaket-Debatte im Bundestag gesessen, jetzt stapft er in Wildbad Kreuth durch den Schnee zum Eingang. Zum Abschluss ihrer Klausur hat die bayerische CSU-Landtagsfraktion ihren Parteichef und Ministerpräsidenten eingeladen. Er soll eine aufrüttelnde Rede halten. Doch Seehofer ist mit seinen Gedanken woanders.
"Wo ich jetzt herkomme, da sind die großen Probleme der nächsten Wochen", meint er und doziert vor Journalisten über die anstehenden Machtverschiebungen im Bundesrat. In wenigen Wochen hat Seehofer aus der bundespolitisch völlig bedeutungslosen CSU wieder die tonangebende Kraft in Berlin gemacht. Doch daheim in Bayern steckt die Partei in der Krise. In einer aktuellen Umfrage steht die CSU mit 45 Prozent kaum besser da als bei ihrer epochalen Wahlschlappe im Oktober. Und in der Partei rumort es kräftig.
"Schmarrn", ruft Georg Schmid, der Chef der Landtagsfraktion. Es ist Mittag, Schmid steht auf einem Podium und verzieht das Gesicht. Er hatte eine Analyse der Wahlniederlage in Auftrag gegeben, bei der Politikberatung Pragma aus Bamberg. Was die vier jungen Männer der Firma in Kreuth präsentierten, schockte die CSUler. Sie hatten über 1.000 Wähler gefragt, ob sie die CSU für "verfilzt" halten. Und 75 Prozent fanden: "Ja".
"Es geht da nicht um einen Begriff", wehrt sich Auftraggeber Schmid. Doch seine Kollegen sind sauer. "Das ist für uns belastend", meint Exparteichef Erwin Huber. So etwas gehöre nicht an die Öffentlichkeit, findet die Parteigröße Thomas Goppel, und Horst Seehofer rüffelt Schmid öffentlich: "Ich bin informiert, aber nicht amüsiert", sagt er bei seiner Ankunft. "Ich bin Vorsitzender einer weltoffenen, aber nicht einer verfilzten Partei."
Der Vorwurf der Vetternwirtschaft trifft auf die CSU der vergangenen Jahre tatsächlich nicht mehr zu. Doch die Umfrage zeigt: Die Wähler haben kaum mehr Vertrauen in die langjährige Staatspartei. Junge Frauen und Konfessionslose werden von der CSU nicht erreicht, fanden die Forscher heraus. Ihr Stil werde als arrogant empfunden.
Man müsse viele Positionen etwa in der Umweltpolitik überdenken, sagt Bayerns Umweltminister Markus Söder. Was vor 30 Jahren gut gewesen sei, sei heute oft nicht mehr mehrheitsfähig. Doch eine Mehrheit für seine Ideen hat Söder in der Partei bislang nicht. Auch Seehofer steckt in einem Dilemma: Um in Zukunft wieder Wahlen zu gewinnen, muss er die Partei inhaltlich und personell reformieren. Doch da klammern sich viele an ihren Posten fest, und Seehofers Führungsstil stößt auf Widerstand.
Für die Europawahl will Seehofer unbedingt die Tochter von Bayern-Ikone Franz Josef Strauß, Monika Hohlmeier, als Kandidatin durchsetzen. Sie würde etwas für den schwachen Frauenanteil in der CSU-Spitze tun und ist noch immer beliebt. Hinter verschlossenen Türen wirbt Seehofer in Kreuth für seine Wunschkandidatin. Doch die von ihr von den Top-Plätzen der Europaliste verdrängten Kandidaten drohen schon mit Aufstand. Wenn die CSU am Samstag über ihre Europaliste beschließt, drohen Kampfkandidaturen. Das wären Nachrichten, wie sie eine kriselnde Partei überhaupt nicht gebrauchen kann. Doch Seehofer scheint das noch wenig zu stören. "Ich lese immer, was für ein schlimmer, diktatorischer Parteichef ich wäre", meint er in Kreuth. "Ich merke das nur nicht." BERNHARD HÜBNER
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