■ In Baku residiert ein neuer Ministerpräsident: Wachablösung auf aserbaidschanisch
Drei Tage haben sie hinter fest verschlossenen Türen verhandelt. Gaidar Alijew in seiner neuen Funktion als Parlamentsvorsitzender in Baku und Surat Husseinow, rebellierender Oberst aus der aserbaidschanischen Provinz. Was herauskam, ist ein guter Handel. Zumindest für den ambitionierten Kriegshelden Husseinow, der es jetzt mal in Zivil probieren möchte. Als Premierminister vereinigt er in persona noch eben drei Schlüsselministerien: Inneres, Sicherheit und Verteidigung. Offensichtlich wollte er noch mehr, warum sonst die endlos zähen Verhandlungen? Was er hat, reicht auch schon, um durchzugreifen. An wie vielen Fronten, werden wir bald sehen. Keiner schreie, die Demokratie habe in Baku eine Niederlage erlitten. Sie gab es nie.
Kein Widerstand, kein Schrei der Empörung, nicht einmal eine nennenswerte Demonstration, die es aus Baku zu vermelden gäbe. Die alten neuen und neuen alten Kräfte schlugen den demokratisch gewählten Präsidenten Eltschibej buchstäblich in die Flucht. Noch vor einem Jahr vom Volk als Held gefeiert, straft ihn dasselbe nun mit Gleichgültigkeit. Was muß in so kurzer Zeit geschehen sein, um aus dem mitfühlenden Gedächtnis des Volkes getilgt zu werden. Die Antwort liegt nahe: Korruption, Nepotismus und himmelschreiende Inkompetenz. Korruption und Nepotismus kennen die Azeris schon lange. Es sind anerkannte Verkehrsformen. Damit lebten sie relativ gut, gerade zu Sowjetzeiten. Inkompetenz dagegen, wenn man sie am eigenen Leibe spürt, wie jetzt, wird nicht verziehen. Die Macht war nur ein Popanz. So etwas gefällt hier nicht.
Bakus Bevölkerung ist relativ gleichgültig gegenüber den Veränderungen. Ruhe will man und Ordnung. Da kommt so einer wie Alijew gelegen. Er bringt Erfahrung mit, Verbindungen und seinen Clan. Kaum inthronisiert, feierte man den ehemaligen KP- Chef schon als Retter. Wenige Tage später sind auch ihm schon wieder die Hände gebunden. Als wäre er nur eine Übergangsfigur. Denn die Gefahr lauert in einer anderen Ecke. Wird der Clan der Husseinows mit dem Alijews und dem Mammedows – des Oppositionsführers im Parlament – die junge Koalition bewahren können? Ihre Interessen deckten sich bisher nur in einem. Die Volksfront loszuwerden. Alijew wird nach Rußland schauen, Mammedow etwas Eigenes wollen und Husseinow als Superpremier alle Chancen nutzen, sich selbst zum Khan und seinen Clan zum einflußreichsten in Aserbaidschan zu machen. Durchgreifen will er. Zunächst an der Front in Berg-Karabach, um die Armenier hinauszuwerfen. Versuchen wird er es wohl. Auch wenn es wenig Aussicht auf Erfolg verspricht. Mit Krieg läßt sich Repression nach innen rechtfertigen. Wir haben eine dunkle Vorahnung ... Es wird aufregend in Aserbaidschan. Eben nicht demokratisch. Klaus-Helge Donath
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