: In Anführungszeichen gesetztes Genre
■ „Cry Baby“ von John Waters
John Waters gehört zu den großen Spezialisten des Theaters der Pose. In gewitzter Einsicht in die Mechanismen der PR -Maschinerie hat er früh erkannt, daß auch Mißfallenskundgebungen, solange sie lautstark und stimmenreich erklingen, Aufmerksamkeitsbezeugungen sind. Also hat er sich mit seiner Person und seinen Home Movies des schlechten Geschmacks zu einem Markenzeichen stilisiert, indem er die Regelverletzung zur Haltung aufputzte. Der Witz seiner Selbst- und Filminszenierungen entsteht aus dem bewußten Einsatz der Tabubrecher-Attitüde mit einem überlebensgroßen Augenzwinkern.
In Cry Baby, wie auch schon in Hair Spray, stellt Waters nicht mehr die neuerfundenen Posen der Ungehörigkeit aus, sondern ironisiert die der Rock'n'Roll-Revolte der fünfziger Jahre. Auch seine Geschichte ist hier nicht mehr das ins Verrückte verdrehte Gegenteil von Üblichkeiten, sondern in Anführungszeichen gesetztes Genre: das Rock'n'Roll-Musical. Witzig, heiter und unterhaltsam ist diese Liebesgeschichte zwischen einem drape (bei uns nennt man das Teddyboy) und einer square, dem angepaßten sauberen Teenagergirl, trotzdem, doch sieht das Ganze aus, als habe Waters sich hier nur als Artdirector und Gagschreiber betätigt.
Der Waterssche Knebelgriff, mit dem er seine Geschichten ins Aberwitzig-Surreale drehte, fehlt. Und so wurde sein neuer Film zur Musical-Satire, deren erster Witz die Besetzungsliste ist: Patty Hearst, Joe Dallesandro, Iggy Pop, Pornostar Traci Lords und Teenageridol Johnny Depp.
Gunter Göckenjan
„Cry Baby“ von John Waters, USA 1990, ca. 90 Min.
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