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Imre Withalm verfolgt eine Diskussion über den Film „Mietrebellen“ und die Konsequenzen aus der WohnungsnotDas Tempelhofer Feld ist wieder eine Möglichkeit

Blick aufs Feld Foto: Langrock/Zenit

Matthias Coers tritt vor die Zuschauer. Er trägt langärmeliges T-Shirt, Pferdeschwanz, einen dünnen Schal: Künstler. Um die Hüften hängt eine Bauchtasche: Aktivist.

Es ist Sonntagabend, und der Film „Mietrebellen“, der Mieterproteste in den Jahren 2012 bis 2014 begleitet, läuft mal wieder, diesmal im Lichtblickkino in Prenzlauer Berg. Mit seinen 32 Plätzen, der kleinen Leinwand und dem Klavier im einzigen Saal ist das Kino ein Beispiel dafür, dass ein Stadtteil trotz starken Bevölkerungswandels lebendig bleiben kann.

Wie so oft diskutiert Regisseur Coers nach dem Film mit dem Publikum. Er hat dabei ein klares Vorbild: das historische Rote Wien. In der Zwischenkriegszeit bauten die Sozialdemokraten dort Tausende Gemeindewohnungen. Die Stadt hat sich zwar 2004 von diesem System verabschiedet. Berlin sollte aber genau jetzt damit anfangen, findet Coers. Die einzige Hoffnung zur Beseitigung der Wohnungsnot in Berlin sieht er im kommunalen Wohnungsbau. Der Ort, an dem sich Coers das vorstellen kann, ist jedoch aufgeladen: Das Tempelhofer Feld sollte seiner Meinung nach für sozialen Wohnbau genutzt werden – also jenes Gelände, für dessen Freihaltung im Mai 2014 Hunderttausende Berliner gestimmt hatten.

Es brauche das unbebaute Feld für die Luft in der Stadt, kommt es aus dem Publikum. Das Ergebnis des Volksentscheids ist offenbar nicht mehr für alle die sinnvollste Lösung. Hier prallen die Grundbedürfnisse verschiedener Bewegungen in Berlin aufeinander.

Der Volksentscheid über das Tempelhofer Feld war ein großer Erfolg der sozialen Bewegungen. In einer Broschüre der Initiative Tempelhofer Feld 100%, die im Vorfeld für den Volksentscheid erschien, wurde noch für den Film „Mietrebellen“ mit einem Inserat geworben. Doch nun stehen Wohnungsnot und Freiraum stärker als damals im Konflikt miteinander. Es gibt laut Coers etwa 20 Zwangsräumungen in Berlin – täglich; der Leerstand in der Stadt sei „weggeschmolzen“, und selbst in Bezirken wie Marzahn-Hellersdorf gäbe es kaum noch Leerstand. Es müsse gebaut werden, betont Coers, und das Tempelhofer Feld sei eine Option.

Es wird sich zeigen müssen, ob das eine Einzelmeinung ist.

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