: Imponieren mit links
Psychologen, Versandhändler und die Kirche entdecken die wachsende Zahl der Linkshänder als Absatzmarkt
BERLIN taz ■ Gestern war der 28. Internationale Linkshändertag. Und was haben wir getan? Einen Linkshänder mit linker Hand begrüßt, mit links gekegelt oder den Tisch linksgreifend gedeckt? Linkshänder dürfen in Deutschland nicht diskriminiert werden. Das steht im Gesetz und außerdem im Knigge. In der Realität freilich sind Linkshänder nach wie vor eine Besonderheit – jetzt werden sie als Markt entdeckt.
Zwar sind die Zeiten vorbei, in denen Erstklässlern die linke Hand auf den Rücken gebunden wurde, um sie zur „rechten“ Schreibe zu zwingen. Linkshänderberater warnen heute vor Folgeschäden von „Händigkeitsumschulung“: Minderwertigkeitskomplexe, Imponiergehabe, Konzentrationsstörungen, Stottern und auch Bettnässen. Die kognitive Leistung wird durch eine Umschulung jedoch nicht vermindert.
Eine solche Umschulung ist ein einträgliches Geschäft. Die Diplompsychologin und Psychotherapeutin Barbara Sattler aus München bildet seit 1985 Ärzte, Bewegungstherapeuten und Pädagogen zum Linkshänderberater nach „Methodik Dr. Johanna Sattler“ aus. Die Sache dauert und kostet nicht wenig. Über hundert verpflichtende Seminare bis zur Abschlussprüfung – macht bei minimalen 100 Euro pro Seminar mindestens 10.000 Euro. Der Erfolg scheint der Münchnerin Recht zu geben. Sattler verzeichnet inzwischen 2.500 Teilnehmer an ihren Seminaren und 100 von ihr zertifizierte Linkshänderberater.
Und der Markt wächst: Linkshändigkeit bei Grundschülern nimmt zu. Dies ergab eine Studie des Schulpsychologen Günter Schröder aus Gardeleben in Sachsen-Anhalt. Schröder testete in einer Langzeitstudie über 12.000 Schüler aus der Altmark. Über mehr Linkshänder freuen sich auch andere. Nach einem Jahr im Geschäft meldet der Linkshänder-Versand „activus“ schon 2.500 Kunden. Absatztendenz bei Fischbesteck, Dosenöffnern und Suppenkellen für Linkshänder steigend, so Geschäftsführer Heiko Hirsch.
Und auch Gott ist gnädig mit den Linken: „In der Bibel gibt es keine Zeile, die besagt, dass Linkshänder schlechter sind als Rechtshänder“, weist Pfarrer Matthias Jung aus Voerde am Niederrhein ein altbekanntes Vorurteil zurück. Bereits zum zweiten Mal in Folge lud Jung am Sonntag zu seinem Gottesdienst für Linkshänder. Schon im Alten Testament findet sich im Buch Richter eine Eliteeinheit zielgenauer Schleuderer, die ausschließlich aus Linkshändern bestand. LAURA MÜLLER