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■ Im schönen Pfaffenhofen sammelt ein junger Bürokaufmann Kugelschreiber aus aller Welt...und vor der Sauna wartet die Sammelbox auf mehr

Im Keller von Markus Kellermann hängen die verrücktesten Geschichten quasi an der Wand; Geschichten übers Pentagon und die NASA, über Schloß Neuschwanstein und den Fußballclub 1860 München. Den Fernsehturm von Dresden gibt es hier und die wohl ungewöhnlichste Kaffeemaschine – eine, mit der man Briefe schreiben kann.

All diesen Dingen ist eins gemein: Es sind Kugelschreiber. Denn die sammelt der 20jährige Markus Kellermann seit nunmehr fast zehn Jahren. Mit einer schier unglaublichen Energie hat der junge Bürokaufmann inzwischen mehr als 16.000 Schreibgeräte aus aller Welt zusammengetragen, und sie hängen in der Kellerbar im elterlichen Haus an der Wand, fein säuberlich geordnet und aufgereiht wie Socken an der Wäscheleine. Markus hat sich ein eigenes Regalkonzept ausgedacht und mit Hilfe des Vaters umgesetzt. Rund dreitausend Kugelschreiber pro laufenden Meter in bis zu 33 Etagen sind da zu bewundern, und das haben in der kleinen nordschwäbischen Ortschaft Pfaffenhofen nicht nur zahlreiche Privatpersonen getan, sondern auch schon der Bürgermeister, eine Schulklasse und eine Schriftstellerin.

Im August 1989 hat den damals zehnjährigen Markus die Sammelleidenschaft gepackt, die seine Eltern zunächst gar nicht so richtig ernst genommen haben. Daß ihr Filius eines Tages der schlagzeilenträchtigste Bürger der kleinen Gemeinde werden sollte, hätten sie nicht gedacht, als sie ihm bei einem Ausflug nach Neuschwanstein einen Kugelschreiber im Souvenirladen spendierten. Ins Guinnessbuch der Rekorde wollte Markus kommen und begann fieberhaft, Kugelschreiber zu horten. Sein Vater half ihm dabei, mitunter auf merkwürdige Art und Weise: „Ich bin beispielsweise in Augsburg von Geschäft zu Geschäft gegangen und habe denen ein Foto von der Sammlung meines Sohnes gezeigt und um Kulis gebettelt.“ Sogar die Saunafreunde mußten dran glauben. „Vor der Sauna habe ich eine Sammelbox aufgestellt, und dort haben dann viele ihre Kugelschreiber reingeworfen.“

So nach und nach kamen immer mehr Kulis zusammen: der Kaffeemaschinen-Kuli etwa, der tatsächlich mit Kaffee gefüllt ist und von einem Kaffeeröster in kleiner Auflage verteilt wurde; oder der Bananenkugelschreiber, der Striptease- Kuli von St. Pauli, der äußerst ungewöhnliche „Anti-Streß-Kugelschreiber“ mit dem Babyschnuller zum Nuckeln an der Spitze oder die beiden Prachtstücke aus der DDR, zum Beispiel von den Arbeiterfestspielen ...

„Diesen Kugelschreiber habe ich beispielsweise von Hans-Dietrich Genscher bekommen“, berichtet Sammler Kellermann stolz. „Dem habe ich geschrieben, daß ich Kulis sammle und ob er mir nicht einen schicken könnte von einem prominenten Staatsgast.“ Das klappte zwar nicht, aber dafür gab es dann Kugelschreiber mit Autogramm. Ähnliches gab es auch von Schauspielern – beispielsweise von Willy Millowitsch und Darstellern aus der Lindenstraße.

Fast etwas ehrfurchtsvoll zeigt Markus auf die Ecke mit dem Schreibgerät aus dem Pentagon, das neben einem Stift mit NASA- Aufdruck plaziert ist. „Den hat mir eine Frau aus Holland geschickt, von der ich schon viele Kulis bekommen habe. Ihre Tochter lebt in Amerika, und die hat mir den besorgt.“ Stolz ist Markus auch auf die Kugelschreiber von berühmten US-Eishockey- und Baseballmannschaften wie den „Capitals“ und den „Toronto-Blue-Jays“.

Das Vorhaben „Guinnessbuch“ hat Markus Kellermann inzwischen zurückgesteckt. „Ich habe mitbekommen, daß es richtige Sammel-Profis gibt, die bis zu 90.000 Kugelschreiber haben und die zum Teil komplette Sammlungen aufkaufen. Das will ich nicht, ich kaufe keine Kulis, sondern bekomme sie so oder tausche sie.“ Klaus Wittmann

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