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Im privaten Glashaus

Homepages im deutschsprachigen Web boomen. Nur ein Modetrend? Nein, denn ist sie gut gemacht, kann sich eine eigene Site für Studenten lohnen, meint  ■   Sabrina Ortmann

Homeless“, nennt man in den USA Menschen, die kein elektronisches Postfach haben. Virtuelle Obdachlosigkeit beginnt auch hierzulande ein gesellschaftliches Manko zu werden. Das virtuelle Heim ist nicht mehr die Sache blasser Computerfreaks.

Möglichkeiten gibt es genug. StudentInnen bekommen gratis einen Platz für ihre eigene Website und den Internetzugang über die Rechenzentren ihrer Universitäten. Die Programme, mit denen man Webseiten basteln kann, sind kinderleicht zu bedienen. Die Preise bei Anbietern für Internetzugänge purzeln. Innerhalb weniger Stunden kann jeder zum Homepagebesitzer werden. Noch nie war es so einfach und preiswert, sich in der virtuellen Welt zu präsentieren. Die Homepages im deutschsprachigen World Wide Web boomen enorm.

„Was, du hast keine Homepage?“, wird es bald all jenen entgegenblöken, auf deren Visitenkarten nicht www.meinehomepage.de steht. Nur eine flüchtige Mode? Nach dem Handy jetzt die Website? Selbst, wenn man beides eigentlich gar nicht braucht? Einer Homepage merkt der Internet-Surfer sehr schnell an, ob es sich um unsinnigen Schnickschnack oder aufgeplusterte Selbstdarstellung handelt – und klickt sich weg. Wahrscheinlich auf Nimmerwiedersehen.

Das muss nicht sein. Beim Surfen im Netz landet man auch auf sehr informativen, gut gemachten privaten Sites. Viele dieser ambitionierten Projekte stammen aus studentischen Computern, wie zum Beispiel „Janko's Media Monster“, die umfangreiche Sammlung journalistisch interessanter Web-Adressen des Publizistikstudenten Janko Puls aus Berlin – unter http://userpage. fu-berlin.de/~jpuls/).

Wann lohnt es sich für Studenten und Studentinnen, ein virtuelles Heim zu bauen? Welche Chancen eröffnet es, wieviel Arbeit macht es, in welche Fallen kann man dabei tappen?

„Heimatseite“ – das klingt privat und gemütlich. Doch das Internet ist öffentlich. Man sitzt im Glashaus. Leicht gerät es zum Drahtseilakt, den richtigen Ton zwischen Öffentlichkeit und Privatheit zu treffen. Das Internet ist anonym. Deshalb freut sich jeder Surfer über Sites, die ein Gesicht haben und etwas über ihre BesitzerInnen verraten.

Doch Vorsicht: Mit allzu intimen Informationen lässt sich leicht Unfug treiben. Postadresse und Telefonnummer besser nicht angeben. E-Mail reicht. Auch detaillierte Lebensläufe gehören nicht in die Öffentlichkeit. Ein grober Überblick über die eigenen Interessensschwerpunkte kann sinnvoll sein.

Zu allererst gilt: „Content is king“. Wer eine Homepage bauen möchte, sollte sich im Vorfeld ein paar grundsätzliche Dinge überlegen: Welches Thema soll meine Homepage haben? Verfüge ich selbst über interessante Inhalte, falls nicht, woher kann ich sie bekommen? Und: Sind die Inhalte für andere interessant? Denn was nutzt die tollste Website, wenn sie niemanden interessiert. Auch eine private Homepage sollte einen Nutzwert für andere haben.

Ideal ist das eigene Studien-Schwerpunktthema, zu dem man am besten schon einige Hausarbeiten und Literaturlisten verfasst hat. Oder man baut zusammen mit der Luhmann-Arbeitsgruppe eine Luhmann-Site, auf der alle Gruppenteilnehmer ihre Arbeiten präsentieren. Mit etwas Glück meldet sich vielleicht sogar ein Herausgeber, der Interesse an den Arbeiten hat.

Aber aufpassen: Online publizierte Seminararbeiten üben eine magische Anziehungskraft auf surfende StudentInnen aus. Das lockt Besucher an. Wer seine Arbeiten ins Netz stellt, muss sich darüber klar sein, dass andere sie schnell auf ihre Festplatte speichern können. Ein Copyright-Hinweis ist sinnvoll, garantiert aber nichts. Denn wenn eine taiwanesische Germanistikstudentin die Arbeit eines Bremer Germanistikstudenten bei ihrem Professor in Taiwan abgibt, wird das in Bremen nie ein Mensch erfahren. Hier muss jeder für sich entscheiden, wie wichtig ihm sein geistiges Eigentum ist.

Andererseits: Seminararbeiten landen meistens in den Schubladen der Professoren. Durch die Publikation im WWW finden sie Leser, die per E-Mail eventuell ihre Meinung dazu äußern. Man muss auch Kritik vertragen können.

Die Homepage sollte ihren Gästen ein Forum bieten, in dem sie mit anderen Besuchern über die Themen der Site diskutieren können. Gästebücher sind sehr beliebt, denn jeder hinterlässt gern seine Spuren im weltweiten Datennetz. Auch eine Linkliste mit Verweisen auf andere Webseiten zu verwandten Themen bietet sich an. Ein bisschen Service und ein wenig Interaktion machen jedes Webangebot interessanter. Die Angabe der eigenen E-Mail-Adresse ist ein Muss. Und: Es gehört im Netz zum guten Ton, elektronische Briefe zu beantworten. Das kann in Arbeit ausarten, aber auch zu spannenden E-Mail-Freundschaften führen.

„Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern.“ Und nichts ist so uninteressant wie eine veraltete Website. Daher ist eine Homepage nie fertig. Sie muss ständig aktualisiert werden. Besucher kommen nur wieder, wenn sie regelmäßig Neues auf einer Seite finden. Wer einen Newsletter anbietet, kann seine Stammgäste gezielt über neue Inhalte informieren. Das World Wide Web verändert sich täglich. Angebote verschwinden, neue tauchen auf. Wer eine Linkliste anbietet, sollte sie immer wieder überprüfen und erweitern. Nichts ist so nervig wie ein toter Link.

Internetbenutzer sind ungeduldig, getrieben vom Ticken des Gebührenzählers. Sie wollen schnell und einfach an Informationen und Unterhaltung kommen. Sie sind nur einen Mausklick von den anderen Homepages entfernt. Man sollte seine Gäste an die virtuelle Hand nehmen – und nicht wieder loslassen.

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