: Im Zwischen und im Abseits
EXPERIMENTELLE MUSIK Vier Tage lang erforscht die achte Ausgabe des multimedialen Festivals für Neue und experimentelle Musik klub katarakt auf Kampnagel unter dem Motto „Die Öffnung des Raums“ neue Dimensionen musikalischer Wahrnehmung
VON ROBERT MATTHIES
„Die Öffnung des Raums“ für Neue, experimentelle und elektronische Musik, Klanginstallationen, Videokunst und multimediale Projekte, sie war von Beginn an ein zentrales Anliegen des vor zwanzig Jahren gegründeten Hamburger Komponisten-Netzwerks klub katarakt. Statt an den klassischen und oft akademischen Spielorten für Neue Musik wie der Hochschule für Musik und Theater, an der die meisten seiner damaligen Protagonisten sich kennengelernt hatten, fand der klub katarakt in Clubs und Theatern statt, um dort ein „eher an die Rezeption von bildender Kunst und Popmusik“ gewöhntes Publikum für all das zu oft unter dem Hauptstrom zeitgenössischer Musik verborgen Bleibende und nicht nur deshalb schwer Zugängliche zu erschließen. Abstraktes und Unerhörtes aus dem Abseits der akademischen Schulen vermittelten die notorisch ausschweifenden Konzerte denn auch mitnichten trocken und verkopft, sondern sinnlich und multimedial als „Strom von Klängen, Texten und Bildern“, als wirbelnde Zusammenkunft unterschiedlicher Gattungen und Stilistiken und Festival für künstlerische Synergien.
Nicht nur in der hiesigen Szene stieß das neue Vermittlungskonzept schnell auf offene Ohren und tatkräftige Unterstützung. Seit 2005 organisiert das Netzwerk von Komponisten, Interpreten und Bands, Videokünstler, Literaten und Theaterleute den klub katarakt alljährlich als Hamburgs „kleinstes, aber feinstes“ mehrtägiges und multimediales Festival für experimentelle Musik. Dafür wurden dessen damalige künstlerische Leiter Jan Dvorak und Jan Feddersen 2007 mit dem Bachpreis-Stipendium ausgezeichnet.
Seit fünf Jahren ist das seitdem beständig gewachsene Festival nun jeweils zum Jahresbeginn auf Kampnagel Stammgast. Und hat damit auch der Erforschung des Verhältnisses von Klang und Raum ganz neue Räume eröffnet. Einflussreiche internationale Komponisten und Klangkünstler wie La Monte Young, Rhys Chatham oder Alvin Lucier, die sich allesamt seit den 60ern in ihren Arbeiten intensiv mit der räumlichen Wirkung von Klängen auseinandergesetzt haben, haben seitdem in den hohen Hallen ideale Bedingungen für ihre Kompositionen und Installationen gefunden.
„Die Öffnung des Raumes“ heißt nun auch ausdrücklich das diesjährige Motto der achten Ausgabe des Festivals, die ab Mittwoch an vier Tagen Konzerte, Klanginstallationen, Kurzfilme, DJ-Sets und eine Podiumsdiskussion präsentiert. Wie schon im letzten Jahr macht dabei zum Auftakt am Mittwoch eine alle drei Hallen auf Kampnagel umfassende Konzertinstallation das Publikum selbst zu wandelnden Klangraumforschern. Zeitgleich spielen die drei Hamburger Ensembles Nyx, Decoder und Nelly Boyd, dazu gibt es eine Videoarbeit von Josephin Böttger zu sehen.
Im Anschluss daran präsentiert das Berliner Sonar Quartett mit Arbeiten des kanadischen Komponisten Marc Sabats und Anton Weberns eine andere Dimension des Verhältnisses von Klang und Raum: den Raum zwischen und jenseits der traditionellen Tonhöhen. Sabat hat gemeinsam mit Wolfgang von Schwanitz eine eigene Notationsweise für mikrotonale Intervalle entwickelt und setzt sich auch kompositorisch mit nicht-temperierter Intonation auseinander. Zum ersten Mal in dabei in Hamburg Sabats neuestes Streichquartett „Euler Lattice Spirals Scenery“ zu hören.
Der zweite Tag gehört dann einem scheinbar konträr zur klassischen Neuen Musik stehenden Raum, den allein das für seine „perverse Subversion musikalischer Genres“ und seine unorthodoxen Projekte zwischen Neuer und Improvisationsmusik, Noise-Experimenten, Ambient, Pop und Folk bekannte europäische Solistenensemble zeitkratzer füllt, mit dem der klub katarakt erstmals ein Ensemble in Residence präsentiert.
Ein weiterer Höhepunkte des diesjährigen klub katarakt ist dann am Freitag der Auftritt des auf Mikrotonalität spezialisierten niederländischen trio scordurata unter anderem mit Werken von Harry Partch.
■ Mi, 30. 1. bis Sa, 2. 2., Kampnagel, Jarrestraße 20, www.klubkatarakt.net