: Im Zweifel gut achten
Fall Kokou D. ruft SPD und GAL auf den Plan. Mehr Hilfe für suizidgefährdete Abschiebehäftlinge angemahnt
Der grausame Umgang mit einem suizidgefährdeten Abschiebehäftling in zwei Hamburger Knästen und dem Marienkrankenhaus hat gestern die Opposition alarmiert. Die Einrichtungen müssen sich dem Vorwurf der Körperverletzung stellen, weil sie dem Togolesen Kokou D. trotz dreier Suizidversuche keine psychologische Hilfe zubilligten. „Das darf nicht passieren“, rügt die migrationspolitische Sprecherin der SPD, Aydan Özuguz. Die GAL will mit einer kleinen Anfrage an den Senat nachhaken.
Wie die taz gestern berichtete, hatte sich D., der erst in Santa Fu und später im Untersuchungsgefängnis Holstenglacis einsaß, zwischen dem 4. und 10. März in der Haft mehrmals zu töten versucht. Sein Anwalt Mathias Wagner kritisiert, dass D. nach keinem Suizidversuch psychiatrisch untersucht wurde. Offenbar habe das Gefängnispersonal geargwöhnt, D. wolle seine Abschiebung vereiteln, rügt der Jurist, der Anzeige gegen beide Anstalten erstattete. „Im Zweifel muss immer eine psychiatrische Begutachtung erfolgen“, mahnt Özuguz.
Nach einer Anzeige der JVA Fuhlsbüttel ermittelt jetzt die Staatsanwaltschaft wegen fahrlässiger Körperverletzung gegen das Marienkrankenhaus. Dorthin war D. gebracht worden, nachdem er sich eine Kugelschreibermine in die Gurgel gestoßen hatte. Die Klinik ließ den 33-Jährigen laut dessen Anwalt kurz nach Ende der Narkose zum Knast zurückbringen, obwohl die Versorgung des Patienten dort nicht gegeben war. Wagner zufolge musste D., mit gesetzter Magensonde, Stunden im Gefangenentransporter verbringen, bevor ihn die Hohenfelder Klinik wieder aufnahm.
Das Versagen der Ärzte beunruhigt auch die GAL. Mit einer kleinen Anfrage will sie nun erfahren, in welchem Zustand Patienten verlegt werden und wer in den Knästen definiert, was als Suizidversuch gilt. EVA WEIKERT