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Archiv-Artikel

MASSNAHMEN GEGEN SYRIEN DÜRFEN NICHT DIE REGION DESTABILISIEREN Im Zweifel für den Angeklagten

Zweieinhalb Jahre nach dem Irakkrieg droht der UN-Sicherheitsrat erneut „weitere Maßnahmen“ gegen ein arabisches Land an – sprich Sanktionen. Dabei gibt es zumindest eine Lektion aus der Irak-Erfahrung: Die internationale Gemeinschaft sollte nach dem Prinzip „im Zweifel für den Angeklagten“ handeln. Schließlich wurden bis heute keine irakischen Massenvernichtungswaffen gefunden.

Das heißt nicht, dass die syrischen Unschuldsbekenntnisse im Mordfall Hariri für bare Münze genommen werden sollten. Arabische Herrscher und deren Sicherheitsapparate sollen für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen werden. Doch das syrische Argument, dass die meisten Anschuldigungen gegen Offizielle in Damaskus im Mehlis-Bericht sich auf Aussagen nicht immer verlässlicher Zeugen statt auf handfeste Beweise stützen, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Der Mehlis-Bericht ist überzeugend, was den Libanon angeht – aber schwach, wenn es um Syrien geht. Damaskus sieht das als Unschuldsbeweis. Aber die Unschärfe des Mehlis-Berichtes kann auch durch mangelnde syrische Kooperation erklärt werden. Gefragt sind nun beide Seiten: Damaskus muss die Karten auf den Tisch legen und mit den UN-Ermittlern zusammenarbeiten. Syrische Zeugen müssen im Ausland befragt werden können. Mehlis seinerseits muss konkrete Beweise für die Verwicklung Damaskus’ in den Mord Hariris liefern. Die syrische Linie – das Regime will nur handeln, wenn es Beweise bekommt –, lässt sich ebenso wenig durchhalten wie die amerikanisch-libanesische, bei der Damaskus bereits auf der Anklagebank sitzt.

Und dann hat die ganze Affäre noch eine andere, politische Komponente: Anders als im Irak sollte diesmal vor „weiteren Maßnahmen“ über die Frage nachgedacht werden, was denn nach diesen passieren soll. Syrien liegt in unmittelbarer Nachbarschaft zum Irak, hat eine Grenze zu Israel und zu einem Libanon, in dem immer noch die Leute den Ton angeben, die sich im Bürgerkrieg die Köpfe eingeschlagen haben. Ein weiteres instabiles Land ist so ziemlich das Letzte, was diese turbulente Region noch gebrauchen kann. KARIM EL-GAWHARY