Im Wortlaut: „Mein Vater war ein Leichenverbrenner“
■ Fritz T. glaubt, sein Vater hätte 1967 den Kaufhausbrand in Brüssel gelegt
Der 36jährige Fritz T. fährt seit Wochen mit seinem Rad durch die Stadt und beschuldigt mit auf Litfaßsäulen, alte Türen und Kühlschränke geklebten Zetteln seinen Vater, 1967 den Kaufhausbrand in Brüssel gelegt zu haben. „300 Tote in Brüssel, und die taz pennt“, mahnte er beispielsweise per Kleber an der taz-Haustür. Andernorts hängt ein Zettel: „Dreihundert Tote, und nur einer grinst: Papa.“ Der dünne, dunkelhaarige Mann fühlt sich als Opfer und ist wütend, daß ihm keiner glaubt. Er behauptet, daß sein Vater, „Dr. Teubner, 78 Jahre, wohnhaft Evere, Brüssel, rue du Maquis 95a“, den Kaufhausbrand gelegt hat. Doch mit „Beweisen“ hält er sich zurück: „Ich bin doch nicht der Papst“, blafft er Neugierige an.
Ich habe einen der größten Verbrecher gefunden. Mein Vater war ein Leichenverbrenner. Als das Kaufhaus brannte, war ich acht Jahre alt. Vor fünf Monaten erst habe ich mich erinnert. Ich mußte ja erst einmal leben. Eine Woche vor dem Brand hat mein Vater in Brüssel vor einem Supermarkt Kartons in Brand gesteckt, weil ihm eine Verkäuferin zu unfreundlich war. Das hat ihn verraten.
Ich war 1967 schon mißtrauisch. Meine Oma sagte es mir auch. Vermutlich war ihm nichts nachzuweisen. Meine Oma hat er auch vergiftet. Sie war unwertes Leben für ihn. Vor acht Monaten habe ich mich an die Vergiftungsszene erinnert, ich war damals fünfzehn Jahre alt.
Ich bin vor zwanzig Jahren aus Brüssel abgehauen und 1979 nach Berlin gekommen. Ich bin ein Wanderer der Welten. Ab und an arbeite ich als Discjockey und mach' Raubkassetten. Ansonsten fahre ich mit dem Rad rum.
Seit Wochen schreibe ich meine Zeugenaussagen auf Litfaßsäulen.
Ich bevorzuge dafür die Werbung von Gauloise, das ist meine Zigarettenmarke. Wenn ich mit meinen großen Schildern mit meinen Zeugenaussagen an Ampeln stehe, fahren die Leute langsamer. So mache ich auch Ver
kehrsberuhigung. Jeden kann man damit schocken. Ich verteile die Flugblätter vorwiegend an Ältere. Die Jungen wissen ja gar nicht, um was es geht. Ich schreibe auch oft auf alte Kühlschränke. Das lockt Verrückte an. Deshalb stellen viele ihre alten Kühlschränke raus.
Ende März habe ich bei der Polizei in Evere angerufen, daß der heutige Dr. Teubner der Brandstifter von 1967 ist. Ich weiß nicht, vielleicht ist das Viertel in Brüssel jetzt abgesperrt. Ich rüttele nur die Leute hier auf und schicke sie los. Der Mann war ein Teufel, in jeder Beziehung. Auch beim Legen seiner Brände. Allerdings auch beim Vergiften meiner Oma, die 1974 in Brüssel starb. Sie starb erst zwei Tage nach der Gifteinnahme durch ein Getränk.
Ich, der Teufelssohn, suchte bisher vergeblich nach deutschen Spendern für meine kleine Teufelsaustreibung. Allerdings suchte ich bisher vor allem bei linken Kreuzbergern. Diese hatten bisher zu dieser Sache noch keine Meinung. Spenden tun sie auch nicht. Nicht mal ihre Essensreste stellen sie nachts raus. Jetzt will ich mal ein paar neue Schuhe.
Ich treib' den Teufel in mir aus, weil ich sein Sohn bin. Ist Dir im Farbfernsehen noch nicht aufgefallen, daß sich die Farben verändert haben? Große Ereignisse künden sich an. Barbara Bollwahn
Wird fortgesetzt
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