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Im Wilhelmsburg Kaufen Reiche im Edeka und arme im LidlVielfalt, die hip ist

INSELSTATUS

Leyla Yenirce

Während die Stadt Hamburg auf ihrer Webseite Wilhelmsburg als „jung, multikulturell und lebendig“ vermarktet, erklärt der SPD-Politiker Metin Hakverdi der Stadtteil sei „vielfältig“ und „bunt“. Immer wieder benutzen Menschen den Begriff, wenn sie Wilhelmsburg beschreiben. Aber was soll das eigentlich bedeuten, „bunt“?

Ist damit gemeint, dass auf den Straßen Menschen mit Kleidung rumlaufen, die alle unterschiedlich gefärbt sind? Oder dass die Häuser nicht alle weiß und rot, sondern gelb, grün und blau sind?

Auch wenn der Begriff „bunt“ als Beschreibung einer Nachbarschaft ziemlich abstrakt klingt, wird er als Synonym eines heterogenen Stadtteils verwendet. Und zwar einer Heterogenität, die daraus besteht, dass Einwander*innen aus unterschiedlichen Ländern und weiße Menschen gemeinsam in einem Stadtteil leben. Vielfalt also. Die ist hip.

Darauf zielt der Werbeslogan ab. Doch Wilhelmsburg ist auch in anderer Hinsicht „vielfältig“: in Bezug auf die sozialen Klassen.

Indizien gibt es im Viertel dafür viele, am sichtbarsten wird das an einem einfachen Merkmal: dem Essen. Oder besser gesagt, es zeigt sich daran, wo das Essen gekauft wird: im Edeka oder Lidl. Der Luxussupermarkt und Billigdiscounter stehen im Norden Wilhelmsburgs nämlich direkt gegenüber und bieten feine Unterschiede.

Der Edeka besitzt exotische Früchte, ein eigenes Regal für vegane Produkte und eine Bäckerei mit Kafféetischen, die nach dem Einkauf zum Verweilen einladen. Der Lidl hingegeben ist vor allem billig. Auch wenn die Menschen, die in das eine oder andere Geschäft gehen, im selben Stadtteil leben, sind die sozialen Klassen, denen sie zugehören, unterschiedlich.

Während die Wohlständigen also fröhlich ihre Luxusgüter im Edeka einsammeln, zieht es die Geringverdienenden in den Lidl. Verwerflich ist das nicht. Es ist nichts Schlechtes, dass Menschen mit unterschiedlichen Ressourcen und Präferenzen diesen nachgehen können. Wenn ich viel Geld habe, warum soll ich dann nicht in Bio investieren und wenn ich wenig Geld habe, warum soll ich dann nicht zum billigen Discounter gehen, um mich oder meine Familie satt zu kriegen?

Trotzdem, spätestens wenn im Edeka überwiegend weiße Personen zu sehen sind und im Lidl marginalisierte Menschen und Bauarbeiter*innen mit Plastikflaschenbier im Einkaufswagen, wird klar, dass die Heterogenität in einem ziemlich engen Korsett steckt, dessen Schnüre Arm und Reich ziemlich wenig Diversität bieten. Vielfalt also ist nur dann hip und werbewirksam, wenn Klassenunterschiede ausgeblendet werden.

Leyla Yenirce ist Kulturwissenschaftlerin und schreibt aus Wilhelmsburg über Spießer, Linke, Gentrifizierer und den urbanen Wahnsinn in der Hamburger Peripherie.

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