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Im Talerregen die Zeit verschlafen?

Wollte der alternative „Geldsack“ die Unabhängigkeit der Redaktion aushebeln, oder haben sich die Zeitungsmacher durch Unprofessionalität und Arroganz selbst ins Aus getrieben?, fragt sich die Heildelberger Linke, nachdem die Wochenzeitung 'Communale‘ nach dem Rückzug der Geldgeber ihr Erscheinen einstellen mußte  ■  Aus Heidelberg Rolf Gramm

„Aus! Die letzte Ausgabe! Geldgeber zieht sich aus 'Communale‘ zurück“. Mit diesem Aufmacher erschien in der letzten Woche die „älteste alternative Wochenzeitung der BRD“. Als 'Heidelberger Rundschau‘ war das Blatt 1975 von einer Bürgerinitiative aus der Taufe gehoben worden.

Das Sterben der Gegen-Wochenzeitungen in der Republik hat sich damit nach dem Ende der Kieler Rundschau weiter fortgesetzt. Von dem einst vielköpfigen Rundschauen-Club ist jetzt lediglich noch die 'Hamburger Rundschau‘ übriggeblieben. Wäre es nach den Marktgesetzen allein gegangen, die 'Communale‘ hätte ihr Leben schon nach den ersten Nummern ausgehaucht. Ohne bedeutende Spenden oder Zuschüsse war das Projekt nie lebensfähig.

Bereits 1986 war es bei Jahresverlusten in Höhe von etwa 40.000 Mark lediglich dadurch gerettet worden, daß sich ein potenter Mäzen des Blattes annahm. Der Mannheimer Rechtsanwalt Hilmar Hoppe, politisch beim „Sozialistischen Büro“ beheimatet, und seine Ehefrau Marli Hoppe-Ritter, Miterbin des Schokoladenriesen Ritter-Sport steuerten fortan große Summen bei, um in dem Monopol der rechten 'Rhein -Neckarzeitung‘ in Heidelberg etwas entgegenzusetzen. Mit 20 Seiten wöchentlich konnte das Blatt bis zum Sommer dieses Jahres erscheinen. Allerdings, die Auflage sank weiter bis auf etwa 3.000 verkaufte Exemplare und das Defizit explodierte. Über 600.000 Mark mußten die Ritter-Hoppes in den vergangenen zweieinhalb Jahren zuschießen, Tendenz steigend.

Um die Selbstverwaltung des Projekts zu sichern war beim Eintritt Hoppes im April 1986 vereinbart worden, alle Entscheidungen in einem demokratischen Gremium, dem siebenköpfigen Projektrat, zu treffen, in dem der Geldgeber lediglich eine Stimme hat. Über den Inhalt der Zeitung sollte die Redaktion weiterhin autonom, aber in kontinuierlicher Auseinandersetzung mit dem Projektrat bestimmen. Als trotz seines Geldsegens die Zeitung aber nach zwei Jahren auf keinen grünen Zweig gekommen war und das wirtschaftliche Desaster immer schlimmer wurde, nahm Hoppe zunehmend die Redaktion und die demokratischen Strukturen ins Visier.

Gegenüber der taz erklärte er: „Die Hauptgrund für die Entscheidung, die 'Communale‘ zu fördern, war für mich nicht die alternative Struktur, sondern die kritische Funktion der Zeitung für Heidelberg. Der gleichberechtigte Aufbau des Projekts war für mich demgegenüber zweitrangig.“ Ausschließlich die Redaktion habe es zu vertreten, so schreibt er in seinem „Abschiedsbrief“, „wenn ein Großteil der Leser immer wieder heftigste Kritik an Art und Weise der Darstellung von Vorgängen und Ereignissen übte, den Stil der Kommentierung bemängelte und die oftmals rasch zutagetretende Unerfahrenheit und mangelnde Professionalität beklagte“.

Mit „einem gewissen Maß an formeller Hierarchie“ wollte der Mäzen nun die Zeitung wieder auf Vordermann bringen. Gegen den Willen der Redaktion hievte er einen neuen Mann in die Position eines „Chefredakteurs“, der doppelt soviel verdiente wie die restlichen Redaktionsmitglieder. In wochenlangem Hick-Hack gelang den 'Communale'-Mitarbeitern ein letztes Mal eine Einigung: Der „Chefredakteur“ sollte wenigstens keine alleinige Entscheidungsbefugnis in Bezug auf die Inhalte des Blattes haben, sondern im Streitfall einem neueingerichteten „Verlagsrat“ unterworfen sein.

Das 'Communale'-Faß begann überzulaufen, als Hilmar Hoppe drohte, sein Geld zurückzuziehen, falls ein ihm mißliebiger Artikel veröffentlicht werden sollte. Der Konflikt eskalierte an diesem Punkt lediglich deshalb nicht bis zum Letzten, weil der Autor den Text selbst zurückzog, um die Situation zu entschärfen. Das Ende kam schließlich unvermeidlich, als die 'Communale'-Mitarbeiter beschlossen, den Konflikt an die Öffentlichkeit zu tragen. Als er in der Nacht vor Beginn des Zeitungssatzes den betreffenden Artikel zu Gesicht bekam, war Hoppe endgültig sauer und stellte die Finanzierung ein.

„Nicht daß über die Zukunft der Zeitung öffentlich diskutiert werden soll, war für mich entscheidend, sondern wie ich da als 'Geldsack‘ an den Pranger gestellt werden sollte und nicht mal eingeplant war, daß ich dazu auch öffentlich Stellung nehmen kann“, erklärte Hoppe gegenüber der taz seinen Schritt.

Ein „Ende nach Gutsherrenart“ hat der linke Erbe damit nach Auffassung der 'Communale'-Mitarbeiter dem Alternativblatt bereitet. Vom „Diktat des Geldsacks“ und einer von Hoppe gewollten „Struktur von Befehl und Gehorsam“ ist in der letzten Ausgabe des Blattes die Rede.

In der linken Heidelberger Öffentlichkeit sind die Schuldzuweisungen nicht ganz so eindeutig. Zwar wird allgemein verurteilt, daß Hilmar Hoppe sich mittels des Geldes zum Zensor ermächtigte, aber auch die Redaktion kommt nicht ungeschoren davon. Ein früheres Vorstandsmitglied des 'Communale'-Vereins „Forum der Bürger“ erklärt: „Immerhin hat es zwei Jahre lang keine Einmischung sondern eine Masse Geld gegeben, und das Projekt ging trotzdem immer weiter in den Keller.“ Gefragt wird auch, ob nicht gerade das nach Gießkannenprinzip reichlich ausgeschüttete Geld letztlich die Selbstverantwortung und Selbstverwaltung der Beschäftigten untergrub, weil der Zwang entfiel, sich schon aus wirtschaftlichen Gründen ernsthafter mit der Resonanz der Zeitung bei den Lesern auseinanderzusetzen.

Die Vorwürfe mangelhafter Recherche und einer gewissen Arroganz, die der Zeitung ständig in Leserbriefen vorgehalten wurden, hat die 'Communale'-Mannschaft wohl allzu leichtfertig mißachtet oder einem muffigen Zeitgeist zugeschrieben. Trotzdem galt die 'Communale‘ den oppositionellen Kräften in der Stadt als unersetzlich als Gegengewicht gegen den rechten OB und dessen Hausblatt 'Rhein-Neckar-Zeitung‘. Das Heidelberger Monopolblatt tat jetzt seinem Ruf wieder mal alle Ehre und enthielt seinen Lesern die Information über die Entwicklung bei der Konkurrenz schlicht vor. Und Oberbürgermeister Reinhold Zundel erklärte hämisch: „Es tut mir leid um die alternative Linke in Heidelberg, daß sie jetzt ihr Kampfblatt verliert und sich wieder auf ihre Kreativität besinnen muß.“

Wie weit es mit dieser Kreativität her ist, werden die nächsten Wochen zeigen. Bei einer Diskussionsveranstaltung über die Zukunft der Heidelberger Alternativ-Publizistik geisterten teilweise recht wilde Vorstellungen durch den Raum, von einem Multimedium aus Flugblättern, Periodikum und Veranstaltungen bis zu einer Ortsbeilage für die taz oder eine theoretische Zeitschrift für Heidelberg. Am realistischsten wird wahrscheinlich ein Vorschlag aus den Reihen des 'Communale'-Trägervereins „Forums der Bürger“ sein: Ein dünneres Blatt mit kleinerer Redaktion, das aber den wichtigsten Informationsbedürfnissen der Opposition nachkommt und dessen Defizit über zahlreiche Kleinspender finanzierbar ist.

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