: Im Südsudan schweigen die Waffen
Regierung und SPLA-Rebellen haben kurz vor der Jahreswende einen endgültigen Waffenstillstand unterzeichnet. Nächstes Wochenende soll ein dauerhafter Friedensvertrag folgen. Aber Frieden herrscht im Sudan nicht – das Problem Darfur bleibt
VON DOMINIC JOHNSON
Regierung und Rebellen des Sudan haben einen wichtigen Schritt zu einem endgültigen Frieden getan. Im kenianischen Naivasha unterzeichneten Feldkommandeure der sudanesischen Regierungsarmee sowie der südsudanesischen Rebellenbewegung SPLA (Sudanesische Volksbefreiungsarmee) am Freitag einen unbefristeten Waffenstillstand sowie eine Absichtserklärung zur Umsetzung eines künftigen umfassenden Friedensabkommens. Der Krieg im Südsudan hat seit 1983 zwei Millionen Tote und 3,5 Millionen Flüchtlinge und Vertriebene gefordert; er ist der älteste Bürgerkrieg Afrikas.
Seit Sommer 2002 hatten die Kriegsparteien miteinander verhandelt, und die in sukzessiven Teilabkommen festgelegte zukünftige Friedensregelung ist für Afrika ein Experiment: Sechs Jahre lang wird der nichtarabische Süden des Sudan unter Führung der SPLA-Rebellen autonom sein, bevor es eine Volksabstimmung über die weitere Zugehörigkeit des Gebietes zum Sudan gibt. SPLA-Führer John Garang wird zugleich Vizepräsident des gesamten Sudan im Rahmen einer Regierung der Nationalen Einheit. Zentralregierung in Sudans Hauptstadt Khartum und Autonomieregierung in Südsudans Hauptstadt Juba teilen sich Öleinnahmen und sonstige Staatseinnahmen hälftig auf.
Das Abkommen wäre, von Details abgesehen, eigentlich schon im Sommer unterschriftsreif gewesen, aber der neue Krieg in Darfur im Westsudan hat die Friedenshoffnungen zwischenzeitlich empfindlich gedämpft. Die SPLA ist mit Darfurs Rebellen verbündet, die mit ihrem Kampf eine Autonomie auch für den Westsudan erreichen wollen. Die Regierung in Khartum hingegen sieht in der Autonomie für Südsudan eine Ausnahme, die nicht für andere Landesteile gelten soll. In den letzten Wochen haben auch im Norden und Osten des Sudan bewaffnete Gruppen angefangen, politische Verhandlungen über Autonomie zu fordern und dem mit Militäraktionen Nachdruck zu verleihen. Die SPLA sieht dies mit Wohlwollen, denn damit kann sie sich als Vorreiter einer künftigen föderalen Neuordnung präsentieren.
Genau dieses Risiko aber hatte den Abschluss der Friedensgespräche für Südsudan immer wieder hinausgezögert, vor allem unter Druck renitenter Hardliner in Khartum. Eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats in Nairobi Mitte November rang schließlich beiden Seiten die Zusage ab, bis Ende 2004 fertig zu werden. „Wir haben dem UN-Sicherheitsrat versprochen, vor Ende des Jahres ein Abkommen zu unterzeichnen, und das haben wir auch getan“, sagte SPLA-Führer John Garang am Freitag bei der Unterschriftenzeremonie. Mehr als „ein Abkommen zu unterzeichnen“ ist es allerdings nicht. Der permanente Waffenstillstand trägt nicht die Unterschriften der politischen Führer beider Seiten. Das endgültige Friedensabkommen steht nach wie vor aus; derzeit ist der 9. Januar als Unterzeichnungstermin vorgesehen.
Dennoch gab es jetzt internationale Begeisterung. Von einem „wunderbaren und historischen Abkommen“ sprach US-Außenminister Colin Powell – der Südsudan-Friedensprozess geht auf US-Druck auf beide Seiten zurück. UN-Generalsekretär Kofi Annan sprach von einer „neuen Ära“ für den Sudan.
Falls tatsächlich am 9. Januar ein endgültiger Frieden zustande kommt, steht Sudan dann vor großen Herausforderungen. Die spontane Rückkehr von hunderttausenden Flüchtlingen in ein komplett zerstörtes Kriegsgebiet, dessen Bewohner fast alle von internationaler Hilfe leben, muss ebenso organisiert werden wie der geordnete Machttransfer an die in sich zerstrittene SPLA. Zahlreiche lokale Konflikte, über die die SPLA keine Kontrolle hat, toben nach wie vor in verschiedenen Ecken des Südsudan.
Dazu kommt die Notwendigkeit, auch Westsudan zu befrieden. „Darfur wird einen sehr dunklen Schatten über dieses Abkommen werfen“, sagte John Prendergast, Vorsitzender der internationalen Krisenbeobachtungsorganisation ICG (International Crisis Group). „Die rapide Desintegration Darfurs wird die Umsetzung des Abkommens verkomplizieren. Die internationale Gemeinschaft wird sehr wachsam sein müssen, besonders was die Verteilung der Staatseinnahmen angeht.“
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