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Im Ostknast ist es trist wie eh

In den alten Haftanstalten hat sich wenig geändert, nur leer ist es an manchen Orten geworden  ■ Sabine Heimgärtner

Güstrow. Triste Zeiten für viele Häftlinge in den Gefängnissen der neuen Bundesländer: Trotz Wende und Rechtsstaatlichkeit sind die Haftbedingungen in manchem Knast nicht viel besser als zu rigiden sozialistischen Zeiten. Marode Baulichkeiten und mangelndes Verantwortungsbewußtsein des Aufsichtspersonals machen den Justizministern in den neuen Ländern zu schaffen.

Ein weiteres Problem: Die Gefängnisse sind völlig unterbelegt. Zur Bewachung eines Häftlings stehen durchschnittlich zwei Bedienstete zur Verfügung. In den alten Bundesländern ist das Verhältnis umgekehrt.

Beispiel Güstrow in Mecklenburg-Vorpommern: Genau gegenüber dem Schloß liegt eines der ältesten deutschen Gefängnisse. Jetzt wurde es vom mecklenburgischen Justizminister Ulrich Born, dem einzigen westlichen CDU-Politiker im Kabinett von Ministerpräsident Alfred Gomolka (CDU), geschlossen. Die Zustände, die sich dem Minister bei einem Besuch zeigten, waren skandalös. Keine Fenster, verfallene Mauern, brüchige Gitterstäbe. Und jede Menge Ausbrüche. Innerhalb der vergangenen drei Monate flüchteten 16 Häftlinge.

Die Situation in Güstrow kann stellvertretend für viele Ex-DDR- Gefängnisse gesehen werden. Im Zuge der Wende sei zwar ein „bißchen offener Vollzug“ praktiziert worden, erzählte ein Gefangener im Gespräch mit dem Justizminister. Beispiele: Zeitungen, Lebensmittelverkauf, gemeinsame Fernsehabende und geöffnete Zellentüren. Aber spätestens seit dem zweiten Ausbruch war es damit vorbei. „Für uns hat sich die Situation total zum Negativen verändert“, klagte der Häftling. In winzigen Räumen saßen die Gefangenen im Halbdunkel. Nur Glasbausteine sorgten für schwaches Licht von außen, keine direkte Belüftung. Gestank, weil es keine „Geruchsabdichtungen“ über den Waschbecken gab. Essen wurde durch kleine Holzklappen in den Zellentüren gereicht, die die Bewacher später wieder mit Schlüsseln rasselnd dichtmachten.

Konzept des Justizministers: Auch die letzten Überreste des berüchtigten stalinistischen Strafvollzuges müssen beseitigt, in den Gefängnissen schrittweise der „humane Strafvollzug“ nach westlichem Vorbild eingeführt werden. Erste Schritte sind bereits getan. Die Knüppel, die früher jeder Aufseher am Gürtel trug, sind abgeschafft. Scharfe Wachhunde wurden eingeschläfert.

Vor wenigen Tagen wurden die Güstrower Justizhaftanstalt geschlossen. Erst fünf der zwölf Haftanstalten mit insgesamt 650 Häftlingen hat Minister Born besucht. Zwischenbilanz: teilweise unzumutbare Haftbedingungen, vielfach unzuverlässiges Personal, unzureichende Sicherungsanlagen und bauliche Mängel. Die einzige Ausnahme macht das Gefängnis in Neubrandenburg, die ehemalige Stasi-Haftanstalt. Kommentar von Born: „Das Makabre ist, daß ausgerechnet dort rechtsstaatliche Maßstäbe am ehesten erfüllt werden.“ dpa

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