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Im Örtchen Rickling macht ein Braumeister in Sachen bierspezialitäten seinen Hamburger Kollegen etwas vorTrendsetter vom Landgasthof

Foto: A. Wemheuer

Mundwerk

Christoph Raffelt

Es ist eine Binsenweisheit, dass die meisten Trends in den großen Städten entstehen und nicht auf dem Land. So verhält es sich auch beim Craftbeer, einem höchst populären Trend, der längst den Norden erfasst hat. Allein in der ehemaligen Bier-Metropole Hamburg sind in den letzten Jahren ein gutes halbes Dutzend neuer Mikro­brauereien wie Buddelship oder Kehrwieder entstanden.

Doch im Norden waren diesmal nicht die Städter die Ersten, die diesem Trend so früh gefolgt sind. Schon bevor die Marke Ratsherrn wiederbelebt und das erste hanseatische Pale Ale gebraut wurde, konnte man raus aufs Land ins schleswig-holsteinische Örtchen Rickling fahren. In der dortigen Landbrauerei werden seit vielen Jahren hervorragende handwerklich gemachte Biere angeboten.

Die Ricklinger Landbrauerei ist eine kleine Gasthofbrauerei mit viel Lokalkolorit, traditioneller Schankwirtschaft und Biergarten – nur dass man dort eben keinen Vertrag mit einer großen Brauerei hat, sondern der Braumeister Udo Lämmer die Biere selber braut. Dabei hat er das verinnerlicht, was andere heute wieder neu lernen müssen: Die Biere werden aus Naturhopfen gebraut und so naturbelassen wie möglich abgefüllt. Das heißt, dass sie nicht zusätzlich filtriert, pasteurisiert und stabilisiert werden. Die Folge ist zwar, dass die Biere nur wenige Wochen haltbar sind, dafür überzeugen sie aber mit einer unvergleichlichen Frische.

17 verschiedene Biere braut Udo Lämmer im Jahr, wobei neben Klassikern wie dem Pils auch ein untergäriges bayrisches Vollbier namens Märzen und vor allem ein exzellentes Stout – ein tiefschwarzes, obergäriges Bier ähnlich dem Guinness – ganzjährig gebraut werden. Über das Jahr hinweg entstehen vom Maibock bis zum Weihnachtsbock fünf verschiedene Starkbiere, sowie eine Reihe Spezialbiere wie das so populäre India Pale Ale, wo der englische obergärige Braustil mit US-amerikanischem Aromahopfen kombiniert wird.

Besonders angetan bin ich vom Porse Bier. Der Stil stammt eigentlich aus dem benachbarten Dänemark, wo man Porse, zu Deutsch Sumpfporst, eine Zeit lang als Hopfenersatz verwendet hat. Das Bier hat Wacholder-Geschmack, duftet nach Erde, Moos, Kamille und ein wenig nach Hustenbonbon und ist in seiner Art einzig.

Mittlerweile liefert die Brauerei ihre Biere zwar schon an verschiedene Gastronomen, Händler und sogar nach Hause. Doch eigentlich lohnt sich ein Besuch in der Schankwirtschaft und in der Brauerei – vor allem, wenn man an einem der Brauseminare teilnimmt, um zu erfahren, weshalb man beim Bierbrauen darrt, läutert, ausschlägt und wie sich ein obergäriges von einem untergärigen Bier unterscheidet.

ricklinger-landbrauerei.de

Christoph Raffelt schreibt seit 2007 über Wein, Bier und handwerklich gemachte Produkte –vor allem in seinem Magazin origi nalverkorkt.de.

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