Im Namen des Volkes: Borttscheller gegen taz, taz gegen Borttscheller
■ Innensenator muß alle Journalisten gleich behandeln, befand das Gericht
Die Beratung des Gerichts Ende Februar dauerte zehn Minuten – die schriftliche Fassung des Urteils ließ fünf Monate auf sich warten. Jetzt liegt sie vor: Der Innensenator muß, wenn er über die Presse die Öffentlichkeit informieren will, seine Informationen „grundsätzlich allen interessierten Journalisten in gleicher Weise zugänglich machen“. Auch den Zutritt zu „Hintergrundgesprächen“darf er nur nach „sachgerechten Gesichtspunkten“einschränken.
Mit dem siebzehnseitigen Urteil bestätigt das Bremer Verwaltungsgericht (AZ 2 A 28/96), was auch das Berliner Verwaltungsgericht bereits festgestellt hatte: Ein Senator kann nicht nach persönlichem Geschmack einzelne Pressevertreter benachteiligen.
Der Ausschluß der taz war „nicht sachgerecht“
Das aber hatte Innensenator Ralf Borttscheller versucht, als er im vergangenen Herbst diverse Journalisten zu einem Hintergrundgespräch in sein Dienstgebäude einlud, die taz aber ausdrücklich nicht dabei haben wollte: Als ein taz-Kollege, der von dem Termin erfahren hatte, klingelte und Einlaß begehrte, wurde er von Borttschellers Pressesprecher Dr. Luft abgewiesen.
„Im vorliegenden Fall ist nicht erkennbar, daß sich der Innensenator bei seiner Entscheidung ... von sachgerechten Kriterien hat leiten lassen. Vielmehr gibt es deutliche Anhaltspunkte dafür, daß der Senator die Notwendigkeit einer an presserechtlichen Maßstäben orientierten Ermessensentscheidung im Zusammenhang mit seiner öffentlich-rechtlichen Informationsarbeit gar nicht erkannt hat“, formuliert das Gericht in aller Deutlichkeit in der Urteilsbegründung.
In dem darauf folgenden Streit hatte das Innenressort divese Begründungen für den Ausschluß der taz vorgetragen, die sich im Zusammenhang wie eine Serie von Ausreden lesen. Der Bremer Landespressekonferenz gegenüber habe das Innenressort erklärt, „ein bestimmter Kreis von Journalisten sei ihm wichtiger als ein anderer“, zitiert das Urteil.
Später habe es geheißen, es habe sich um ein „inoffizielles Gespräch“über „vertrauliche“Dinge gehandelt. Ferner sei die Sitzplatzzahl an dem runden Tisch eben begrenzt gewesen. Schließlich wurde auch begründet, der Termin sei privater Natur gewesen. Zum Beweis wurde angeführt, daß es Wein und Brötchen gab, die der Senator aus eigener Tasche bezahlt habe.
Das Gericht erkannte eine Wiederholungsgefahr
Schon an der Themenliste, argumentiert dagegen das Gericht, sei zu erkennen gewesen, daß es nicht um private, sondern um dienstliche Angelegenheiten gegangen sei. Zudem unterliege der Senator einer Schweigepflicht: „Inoffiziell“hätte er gar keine Informationen über „dienstliche Fragen als Privatmann an Dritte weitergeben“dürfen. Bei offiziellen Informationsgesprächen aber dürfe ein Senator ausschließlich nach „sachlichen Kriterien“auswählen, wen er einlädt und wen nicht. Da das Gericht außerdem auch eine „Wiederholungsgefahr“sah, war die Klage der taz gegen den Ausschluß hinreichend rechtlich begründet.
Obwohl auch seine Prozeßvertreterin in der mündlichen Verhandlung zu erkennen gegeben hatte, daß sie rein rechtlich ihre Position für aussichtslos einschätzte, hatte das Innenressort nach der mündlichen Urteilsverkündung gegenüber dem Weser Kurier angekündigt, man wolle in Berufung vor das Oberverwaltungsgericht gehen. Gegenüber der taz hatte Dr. Luft erklärt, der Senator wolle dies nicht tun. Nach der Zustellung des Urteils hat Borttscheller vier Wochen Zeit, sich für oder gegen weitere Schritte zu entscheiden. K.W.
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