: Im Idealfall ohne Tafel
Hamburg neue Schulstruktur erfordert neue Lernmethoden. Mit Hilfe von Kompetenzrastern sollen Schüler künftig die Verantwortung für eigenen Erfolg übernehmen. Landesinstitut für Lehrerbildung erhält Geld für Fortbildungsoffensive
Auf Hamburgs Schulen kommen große Veränderungen zu. In der geplanten sechsjährigen Primarschule wie auch in der Stadtteilschule wird künftig das Leistungsniveau innerhalb einer Klasse noch stärkerer variieren als bisher. Die Antwort darauf heißt Individualisierung. „Dass das geht, zeigen andere EU-Länder“, sagt Jochen Schnack, der am Landesinstitut für Lehrerbildung (LI) die Abteilung Unterrichtsentwicklung leitet. „Auch in Hamburg hat man Erfahrungen, wie der Unterricht organisiert sein muss, damit man dem gerecht wird“, ergänzt Mareile Krause, Leiterin der Abteilung für Organisations- und Personalentwicklung am LI.
Das Institut bringt schon seit Jahren Lehrern moderne Unterrichtsmethoden bei. Zur Unterstützung der Schulreform soll der LI-Etat bis 2012 noch einmal um rund drei Millionen Euro aufgestockt werden, so Armin Oertel, Büroleiter von Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL).
Individueller Unterricht heiße nicht „Unterricht wie bisher, nur auf vier Niveaus“, erklärt Schnack. Vielmehr müsse sich der Unterricht insgesamt ändern. Der in Mathe zum Beispiel sehe komplett anders aus und finde „im Idealfall ohne Tafel“ statt: Es gelte die Situation zu durchbrechen, „wo der Lehrer vor der Klasse steht und erklärt und die Schüler scheinbar zuhören und anschließend Aufgaben richtig lösen müssen“, sagt Schnack. Stattdessen würden Aufgaben eines anderen Typs gestellt – „komplexer und lebensweltorientierter“. Die Aufgabe des Lehrers sei dabei, so Krause, „die Schüler an das selbständige Arbeiten heranzuführen“. Dafür müsse er sich stark zurücknehmen und vorab einschätzen, welche Fehler die Kinder machen können. Dies sei ein schwieriger Rollenwechsel.
Eine wichtiges Instrument bei alldem sind „Kompetenzraster“, Din-A 4 große Zettel, auf denen beispielsweise für das Fach Mathe alles steht, was ein Schüler von der 5. bis zur 10. Klasse lernen soll. Die Texte sind so geschrieben, dass Kinder sie verstehen: „Ich kann Bruchzahlen und Dezimalzahlen multiplizieren und dividieren“ zum Beispiel. Die Raster geben Schülern eine Orientierung, wo sie stehen, und sagen mehr aus als eine Note. Damit sollen Schüler aktiv ihre Lernziele festlegen können.
Das Arbeiten mit Kompetenzrastern wird gerade an 54 Schulen im Modellversuch erprobt, der jährlich mit 1,7 Millionen Euro gefördert wird und ebenfalls einen hohen Teil an Fortbildung enthält. Zu den Rastern gibt es „Checklisten“ und „Lernjobs“, die die Schüler bewältigen müssen. Festgehalten werden die Ergebnisse in so genannten Lernbegleitbögen.
„Teil unserer Fortbildungsoffensive ist, die Schulen darin zu unterstützen, die Checklisten und Lernjobs zu entwickeln“, sagt Krause. Das sei wichtig, damit die Kollegen „richtig dahinter stehen“. Auch müssten Schulleitung und Kollegen eingebunden sein: Die Fortbildung einzelner Lehrer sei wenig nachhaltig.
Nicht nur die Schulform macht neue Methoden nötig, auch die sich verändernde Welt: „Die alte Belehrungsschule ist kein Erfolg versprechender Weg mehr“, sagt Schnack. Für die Lehrer sei die Unterrichtsvorbereitung aufwändiger, sie gewännen aber auch Zeit: „Ich fand es als Lehrer immer sehr anstrengend“, sagt Schnack, „wenn ich vor der Klasse stehen und den ganzen Unterricht allein schmeißen musste“. KAIJA KUTTER
Mit dem Neuen Lernen beschäftigt sich auch der taz salon: Donnerstag, 20 Uhr, Kulturhaus 73, Schulterblatt 73