piwik no script img

„Im Grunde sind wir Kämpfer“

■ Peter Sieglar, der als erster Aids–Kranker in der Bundesrepublik seine Ängste und Probleme in einem Fernsehfilm (“Noch leb ich ja“) schilderte, ist tot

Im Alter von 33 Jahren ist am Donnerstag Peter Sieglar an den Folgen seiner Krankheit gestorben, an Aids. Peter, der seit zehn Jahren in San Francisco wohnte, war einer der ersten, die sich öffentlich zu ihrer Krankheit bekannten und die auf die soziale Dimension von Aids hinwiesen. Den Selbsthilfegruppen, der Deutschen Aids–Hilfe und nicht zuletzt den Aids–Kranken selber hat Peter unschätzbare Dienste geleistet. Die letzten Jahre seines Lebens waren ein einziges Plädoyer für einen menschlichen Umgang mit der Krankheit Aids. Mit seinem Freund Michael Aue drehte er im Oktober 86 das Video „Noch leb ich ja - ein Aids–Kranker erzählt“, das als beispielhafter Dokumentarfilm vom Bundesfamilienministerium mit einem Preis ausgezeichnet wurde. Der Film wurde auch im Fernsehen ausgestrahlt und zeigte den Zuschauern erstmals die Ängste und Gefühle eines Aids–Kranken. Im Februar letzten Jahres reiste Peter Sieglar mit dem Film durch die Bundesrepublik, von Veranstaltung zu Veranstaltung. Immer wieder versuchte er, seinen Zuhörern klarzumachen, warum repressive Politik wie der Bayerische Maßnahmen– Katalog völlig verfehlte Mittel im Kampf gegen die Ausbreitung des Aids–Virus sind. Ein zweites Video, „Im Grunde sind wir Kämpfer“, das im Oktober 87 in San Francisco entstand, beschäftigt sich mit dem Alltag der Krankheit. Sein Engagement erklärte er so: „Soweit es geht, wollte ich mich mit der Krankheit auseinandersetzen und meinen Freunden verständlich machen, was ich durchzumachen habe. Außerdem möchte ich den Leuten zeigen, wie man mit der Krankheit umgehen kann.“ Solange es Hysterie und Angst vor Aids gebe, „müssen wir, die Menschen mit Aids, die anderen aufklären“. Peter starb jetzt, wie er es sich gewünscht hatte, in seiner Wohnung in San Francisco, im Kreis seiner engsten Freunde, nachdem sie für ihn ein letztes Fest ausgerichtet haben. Wolfgang Gast

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen