■ Im Falle Natal versagen Sicherheitsapparat und Politik: Kein Vor, kein Zurück
Eine knappe Woche ist seit der Verhängung des Notstandes über Natal/KwaZulu durch Südafrikas Präsident de Klerk vergangen. Sieben Tage, in denen es mindestens 101 Tote bei politischen Auseinandersetzungen in dem Gebiet gegeben hat, das durch Militär und Polizei befriedet werden sollte. Angesichts einer plötzlich ernst gewordenen Debatte über die Verschiebung der Wahl in diesem „Heimatland“ von Inkatha-Chef Buthelezi drängt sich die Frage auf, ob hier ein Versagen der Armee und der Polizei oder eher der Politik vorliegt.
Die Sicherheitskräfte haben zweifellos ihre Probleme. Die Armee, bereits in den ehemaligen Homelands Ciskei und Bophuthatswana und in den vom Bürgerkrieg gezeichneten Townships um Johannesburg im vollen Einsatz, sieht sich allmählich an einer Kapazitätsgrenze. Die Neigung der weißen Reservisten, Mobilisierungsaufrufen zu folgen, ist gering. Seitens der Polizei lautet die freundlichere Erklärung für ihre Unfähigkeit, mordlustige Demonstranten zu entwaffnen, daß sie demoralisiert ist durch die jüngsten Enthüllungen der unabhängigen Goldstone-Kommission über die blutigen Machenschaften ihrer Führung. Die Generäle, so scheint es, standen als „dritte Macht“ hinter der Gewalt der letzten Jahre. Böse Zungen gehen weiter. Sie sehen in der Untätigkeit der Polizei eine zynische Politik eben dieser Generäle, die eine Machtübernahme des ANC immer noch verhindern wollen, und wenn es nur durch endlose Verschiebungen der Wahl wegen der Sicherheitslage ist. Schließlich haben Polizeichef van der Merwe und sein als Chef der „dritten Macht“ verdächtigter Stellvertreter Smit in den letzten drei Wochen gezeigt, wer Herr im Hause ist. Vom Präsidenten beurlaubt, saß Smit am nächsten Tag mit der Rückendeckung van der Merwes wieder im Büro.
Fest steht jedenfalls, daß sich die Anwendung von Gewalt politisch auszahlt. Buthelezi muß seit dem blutigen Montag in Johannesburg vor zehn Tagen wieder ernst genommen werden. In einer Woche, in der Schritte zu seiner endgültigen Entmachtung durch den Übergangsrat TEC beschlossen werden sollten, waren die acht Inkatha-Toten vor dem ANC-Hauptquartier Shell House sein Ticket zu einer neuen Verhandlungsrunde mit de Klerk, Nelson Mandela und dem eigenen Vasallen, dem Zulu-König Zwelithini.
De Klerks Interesse an Buthelezi kann heute, drei Wochen vor der Wahl, kaum mit Hoffnungen auf eine Teilnahme Inkathas an dem Urnengang zusammenhängen, auch wenn er möchte, daß die Wahl durch eine möglichst breite Teilnahme als legitim akzeptiert wird. Im Gegenteil: De Klerk will, daß Inkatha draußenbleibt, während er alles tut, um den konservativen Anhängern Buthelezis zu vermitteln, daß ihre Interessen bei ihm bestens aufgehoben sind. Wenn man es nur hinbekommen kann, daß in Natal/KwaZulu ungehindert gewählt wird, so rechnet er, wird die Nationale Partei auf viele Stimmen dieser Menschen zählen können. Besonders dann, wenn Erinnerungen an alte Niederlagen der Zulus nicht durch ein allzu forsches militärisches Auftreten neu geweckt werden.
Der ANC andererseits sitzt in der Zwickmühle. Der ewig geduldige Mandela sieht es als seine Pflicht an, auch mit Mördern und Metzgern zu reden. Buthelezi wird er morgen allerdings deutlich machen, daß es keine Wahlverschiebung geben wird. Den Urnengang in einer Provinz auszusetzen geht ohnehin nicht. Das Gesetz sieht nämlich vor, daß eine Stimme überall abgegeben werden darf – eine spezielle Tinte an der Hand soll dafür sorgen, daß keiner zweimal wählt. Die ist aber nach drei Tagen nicht mehr sichtbar. Wenn die Wahl nur in Natal/KwaZulu ausgesetzt werden sollte, könnten die Parteien später ihre Anhänger dorthin karren, um sie ein zweites Mal wählen zu lassen. Also gibt es nur eine Verschiebung der ganzen Wahl oder überhaupt keine. Mandela wird auf diese zweite Variante pochen – zur Not mit militärischen Mitteln durchzusetzen. Und de Klerk wird mitmachen müssen. Stephen Laufer
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