Im Dunst der Wasserpfeifen: Unter Männern

Hamburg will die Vorschriften für Shisha-Bars verschärfen – offiziell geht es um die Gesundheit der Gäste. Wir haben uns vor Ort umgesehen.

Ein mann sitzt in einer Shishabar in Hamburg

Für manche Gäste so etwas wie ein Wohnzimmer: Shisha-Bar „WE Love“ in der Wandsbeker Chaussee Foto: Miguel Ferraz

HAMBURG taz | In der Wandsbeker Chaussee spiegelt sich das Licht der vielen Shisha-Bars auf dem regennassen Asphalt. Kleine Männergruppen laufen an den Geschäften vorbei, auf den Straßen ist viel Verkehr. Im „WE Love“ leuchtet das Neonlicht besonders hell in den dunklen Nachmittag. Vor dem Tresen steht ein junger Mann mit gepflegtem Bart und kurz geschorenen Haaren. Er nickt den Eintretenden zu, bleibt aber stumm. „Wir würden gerne mit jemandem über Shisha-Bars reden.“ Er nickt. Ein junger Mann mit beiger Gucci-Schirmmütze kommt dazu. „Der junge Mann versteht leider nicht so gut Deutsch, kann ich Ihnen helfen?“

Die Wandsbeker Chaussee gehört zu den Gegenden in Hamburg, in denen in den letzten Jahren besonders viele Shisha-Bars eröffnet haben, 28 sind es derzeit. Außer der AfD macht sich in Hamburg auch der türkischstämmige CDU-Politiker David Erkalp deswegen ernsthaft Sorgen – um die Gesundheit der Shisha-RaucherInnen, aber auch um das Aussehen der Stadtteile, in denen es „zu Ansammlungen von mehreren Shisha-Bars in einzelnen Straßenzügen“ kommt, so Erkalp in einer Anfrage an den Senat. Außerdem würden Shisha-Bars immer wieder Ziel von Razzien.

Der Mann mit der Gucci-Mütze im „WE Love“, sein Name ist Mohamed, kennt diese Vorwürfe. „Diese Bar hier ist mein Wohnzimmer“, sagt er leise. Als 14-Jähriger kam er mit seiner Familie aus Algerien nach Deutschland, seit über zehn Jahren besucht er Shisha-Bars. Für ihn sind sie ein Ort, an dem er sich austauschen kann, er führe hier „spannende Gespräche“.

Mohamed hat schon viele Besuche von den Ordnungsämtern und der Polizei in Shisha-Bars miterlebt. „Sie sind immer zu dritt oder zu viert: Der eine prüft die Sauberkeit, der andere die Papiere und Lizenzen, einer den Jugendschutz und der Nächste ist vom Zoll oder der Steuerbehörde.“ Manchmal seien sie regelrecht enttäuscht, wenn sie nichts vorfinden würden, „dann gehen sie, ohne Tschüss zu sagen.“

Geruch von fruchtigem Rauch

Es ist nicht viel los in der „WE Love“-Bar um diese Zeit; drei Männer sitzen auf Sofas und rauchen. Im Hintergrund erklingt laute arabische Pop- und Rapmusik, in der Luft liegt der Geruch von fruchtigem Rauch. An der Decke beleuchten zwei kreisförmige Neonlampen den kleinen und ansonsten dunklen Raum. In den Regalen hinter der großen Theke stehen reihenweise Flaschen mit Wodka und Rum.

Mohamed spricht Shisha-Bars einen guten Einfluss zu: „Jugendliche entscheiden sich dann lieber dazu, wieder hierherzukommen, statt auf der Straße herumzulungern.“ Eine Shisha-Bar sei wie ein normales Café, man treffe sich hier, um auch Frauen kennenzulernen. Es gebe auch Unterschiede bei diesen Bars. Es stimme aber schon, dass mehr Männer in Shisha-Bars gingen als Frauen. „Warum das so ist, weiß ich nicht“, sagt Mohamed.

Männlich und jung

Nach und nach füllt sich die Bar. Alle kennen sich hier, es sitzen Geschäftsleute neben Mitarbeitern der Post und Leute aus dem Vertrieb nebeneinander. Das Publikum ist männlich und jung, lediglich eine junge Frau sitzt mit zwei Männern zusammen und spielt das Brettspiel Backgammon. Später kommt noch eine blonde Kellnerin, die ihre Schicht hinter der Theke gerade beginnt.

Die meisten Gäste versuchen täglich in die Shisha-Bar zu kommen, sagt Mohamed. Als der Chef, adrett in Lackschuhen und Hemd gekleidet, in seine Bar kommt, wird es kurz unruhig; alle Männer helfen beim Reintragen der mitgebrachten Getränke. „Wir sind hier eine kleine Familie, wenn jemand Hilfe braucht, bekommt er sie auch“, sagt Mohamed.

Obwohl im „WE Love“ die meisten Araber sind, wird auch türkisch oder persisch gesprochen. Hier sitzen Sunniten und Schiiten nebeneinander, Mohamed kommt mit beiden Religionsgruppen klar: „Ich sehe im Koran nichts, das dagegen sprechen sollte, dass man sich als Schiit auch mit Sunniten gut versteht“, sagt Mohamed und geht rüber zu den Backgammon-Tischen seiner Freunde, die schon auf ihn warten.

Eingangstür mit Guckloch

Das Konzept der Shisha-Bar ist offen für Interpretationen. Manche bieten strikt keinen Alkohol an, in anderen gibt es Live-Musik. Und im Hamburger Stadtteil Altona gibt es eine, die hergerichtet ist wie ein gehobener Club. Der Blick durch die Fenster zeigt die leuchtende Theke, die massive Eingangstür hat ein kleines Guckloch. Stoffbezogene Sitzmöbel stehen an den Wänden, die eine Hälfte des sehr großen Raumes ist pink beleuchtet, die andere blau, wodurch der Raum seltsamerweise zu schrumpfen scheint.

Ein junger, dünner Mann in Jeans kommt hinter der Theke hervor. „Was kann ich für euch tun?“ – „Wir kennen uns nicht so aus, kannst du uns etwas empfehlen?“ Auf das Stichwort scheint er gewartet zu haben. Er rät, mit etwas Fruchtigem anzufangen. Am Ende wird es eine Shisha mit Minz- und Melonengeschmack.

Der Rauch fühlt sich kalt an, im Hals kratzt er so, dass sich ein Husten nicht unterdrücken lässt. Auf der pinken Seite sitzen nur Männer in schwarzen Klamotten, keiner von ihnen muss beim Rauchen der Shisha husten.

Erfolge auf der Hantelbank

Zwei junge Männer setzen sich mit ihren Wasserpfeifen auf die blaue Seite der Bar und unterhalten sich über ihre Ziele im neuen Jahr. „Ich habe heute wieder richtig einen gerissen auf der Hantelbank“, sagt der dünnere von ihnen. Sein Freund nickt anerkennend. „Bei mir läuft es nicht so gerade, bin noch in Weihnachtsstimmung“, räumt er ein und klopft dabei auf seinen Bauch.

Die Bar ist durchgestylt, der Türknauf in der Damentoilette eine Etage tiefer ist nicht einfach ein Türknauf, sondern hat die Form einer Moschee-Kuppel. Die Oberfläche ist glatt und fühlt sich an wie Marmor. In der Damentoilette hängen drei Spiegel: einer für den ganzen Körper und zwei für das Gesicht. Auf dem Sims steht eine Haarspraydose.

Dass im Eingangsbereich zur Bar ein großer Buddha-Kopf auf einem Sockel thront und die hineintretenden Gäste anguckt, ist bestimmt kein Zufall. Die Shisha kommt ursprünglich aus Indien und wanderte über die Seidenstraße bis in den heutigen Iran.

Hotspot Wandsbeker Chaussee

47 Shisha-Bars waren im vergangenen Jahr in Hamburg gemeldet, die Kleinunternehmer wurden dabei nicht erfasst. Tatsächlich dürften es deutlich mehr sein: 17 waren in Wandsbek gemeldet, dagegen stehen die 28 allein in der Wandsbeker Chaussee. Die Angst des CDU-Politikers David Erkalp, dass es zu viele Shisha-Bars geben könnte, teilt der Hamburger Senat aber nicht. Den Bezirksämtern lägen „keine Erkenntnisse“ vor, dass dies ein Problem für die betroffenen Stadtteile werden könnte, heißt es in der Antwort auf die Anfrage Erkalps. „Die Gewerbefreiheit wird als hochrangiges Rechtsgut angesehen“, argumentiert der Senat.

Tatsächlich stößt der Bürgerschaftsabgeordnete mit seinen Gesundheitsbedenken aber auf offene Ohren. Dennis Krämer, der Pressesprecher der Hamburger Gesundheitsbehörde, teilt mit, dass „das Rauchen von Shishas, die mit glühenden Kohlen oder anderen organischen Materialien betrieben werden“ mit dem Risiko einer Kohlenmonoxidvergiftung verbunden sei.

In Hamburg gab es im Jahr 2017 nach offiziellen Angaben über 25 Fälle von Kohlenmonoxidvergiftungen, die auf den Genuss der Wasserpfeife zurückgehen. Die Bild titelte vor zwei Monaten schadenfreudig: „Wie gefährlich sind Shisha-Bars wirklich?“

Der Hamburger Senat plant in den nächsten Monaten ein Gesetz zur Verschärfung der Auflagen von Shisha-Bars, um die gesundheitlichen Schäden bei den KonsumentInnen zu minimieren. Was konkret für Auflagen formuliert werden, könne man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bekanntgeben, sagt Gesundheitsbehörden-Sprecher Dennis Krämer.

Bereits im Frühjahr 2018 habe die Gesundheitsbehörde Empfehlungen für die Betreiber von Gaststätten mit Shisha-Angebot zur Vorbeugung gegen Kohlenmonoxidvergiftungen veröffentlicht. Darunter findet sich auch ein vorformuliertes Hinweisschild für Barbetreibende, das die Gäste über die Gefahren aufklären soll. Ob dieser Aushang künftig zur Pflicht wird, kann Krämer noch nicht sagen.

Jemand, der sich intensiv mit Shisha-Bars beschäftigt hat, ist der Hamburger BWL-Student Alihan K. Er glaubt nicht, dass die Bars verschwinden oder weniger werden, wenn sich die Auflagen verschärfen. „Ich würde auch nicht von einem Phänomen sprechen, was viele leider tun. Dafür wird das Shisha-Rauchen hier schon zu lange von vielen Menschen mit Begeisterung praktiziert.“

Alihan trägt einen Guy-Fawkes-Bart und raucht am liebsten Shisha mit Minzgeschmack. „Viele Tabaksorten mit ihren abgefahrenen Namen wie Rum-Kola sind schön und gut, aber die Minze hält sich vom Aroma am längsten und gibt dir die Frische, die für das Rauchgefühl am angenehmsten ist.“

Schlechte Tabakqualität

Alihan raucht seine Wasserpfeife – auf Türkisch „nargile“ – allerdings am liebsten zu Hause. Eine Shisha in einer Bar zu mieten, sei teurer, als sich selbst eine zu kaufen, sagt er. Außerdem ist er mit der Qualität der Tabakköpfe nicht zufrieden. „Die Köpfe sind qualitativ schlechter geworden, auch weil sie jetzt in großer Menge produziert werden.“

Auf lange Sicht, vermutet Alihan, würden große Unternehmen auf den Plan treten, die Lokalitäten betreiben und zusätzlich für die Ausstattung sorgen. Er spricht von einem „emanzipatorischen Prozess“ wie bei der internationalen Café-Kette Starbucks. „Das wäre jedenfalls die nächste logische Stufe.“

Noch ist das Zukunftsmusik. Mit Gewissheit kann man derzeit aber sagen, dass es mit den Shisha-Bars nicht weniger wird.

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