■ Illustre Illustrierte (8): Ein Roberto Blanco ist genug
Wunder gibt es immer wieder: Monatelang hat sich mein Enkel nicht gemeldet, um ausgerechnet letzten Dienstag abend an mein Fenster zu klopfen. Nach 20 Uhr, wissen Sie, mache ich die Haustüre nicht mehr auf, man liest ja so viel, und was soll Frau Wazecha aus dem ersten Stock denken, wenn ich so spät noch Besuch bekomme? Außerdem weiß mein Enkel ganz genau, daß ich bei der „Hitparade der Volksmusik“ auf Sat.1 nicht gestört werden will. Aber er brachte rote Rosen, küßte mich auf meinen purpurroten Mund und verlangte, daß ich ihm bei einem Artikel helfe.
Alles wissen wollte er über Meine Melodie, das „Magazin für Freunde der Volksmusik“, das mich seit Jahren begleitet. Es gibt außer der Liebe nichts Schöneres im Leben, aber Frau Wazecha leiht sich das Heft immer aus und bringt es nicht mehr zurück.
Von Weib und Gesang weiß mein Enkel, obwohl er im Gegensatz zur Nachbarsenkelin Abitur hat, wenig. Neulich fragte er mich gar, ob Dieter-Thomas Heck noch die Hitparade moderiert. Ach, den habe ich ja gern gesehen, jetzt machen das immer so junge Burschen wie der Uwe Hübner. Aber wenn ich noch mal siebzehn wär...
Laß man, habe ich also gesagt, über Meine Melodie schreibe ich besser selbst – das sind die kleinen Freuden des Lebens. An der Zeitschrift haben mir vor allem die bunten Fotos gefallen, von Herzilein Patrick Lindner, der schwarzbraunen Haselnuß Karl Moik oder der schönen Maid Maria Hellwig. Merkwürdig, die Damen haben meist viel Holz vor der Hütte und die Herren ein Toupet. Das Besondere an Meine Melodie aber ist, daß darin die Stars in ihren einsamen Häuschen am Meer oder in den Bergen besucht werden. Was man da alles erfährt!
Haben Sie gewußt, daß der Peter Steiner, dieser Schlawiner, der sich ja früher auch ohne Lederhose..., aber davon soll man ja nicht reden, also daß der ein guter Hobbykoch ist? Mein Otto konnte ja nicht einmal ein Spiegelei braten. Neugierig gemacht hat mich auch der Bericht, daß Freddy Breck seine Villa verkaufen will. Ob der pleite ist? Das muß ich Frau Wazecha erzählen.
Herzklopfen bekam ich, weil die Kastelruther Spatzen in der Leser-Hitparade auf Platz 1 gekommen sind. Da laß ich alle Sorgen Sorgen sein. Aber warum bloß mußten auf zwei Seiten Neger abgebildet werden? Die haben da zwar so eine Serie „Folklore aus aller Welt“, aber was hat ihr Buschgetrommel denn mit Volksmusik zu tun? Ein Roberto Blanco ist doch wohl genug.
Ansonsten ist Meine Melodie ein Freund, ein guter Freund von uns älteren Leuten, das sagen auch meine Canasta-Damen im Club der Lebensfrohen. Beim Preisrätsel hab ich übrigens mal einen Bierkrug mit Portrait von Franzl Lang gewonnen – mit Widmung! Tja, da hätten Sie mal die neidischen Blicke von Frau Wazecha sehen sollen. Micha Schulzes Oma
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