■ Illustre Illustrierte (10): Von vorgestern
Es war einmal eine kleine Illustrierte, deren Titel bei Männlein und Weiblein ein jeder Generation erfreulichen Anklang fand. Opa Krause („Zu Kaisers Zeiten kostete das Ei nur 2 Pfennige“) mochte die Nostalgie Revue ebensowenig missen wie Margot Mielke aus Gera („Am DDR-Ei war nicht alles schlecht“). Auch Skinhead Paul („Bei Adolf gab es nicht so viele Salmonellen) und manch eine Alt-68erin („Damals haben wir an der Uni noch mit Eiern geworfen“) zählten zu den Abo- bzw. APOnennten.
Wahrlich, die Nostalgie Revue war in jeder Hinsicht von vorgestern. Selbst was den Verlag betraf: Nicht Springer oder Bertelsmann hatte sich damit auf den Markt begeben, das Heft entsprang dem Geistesblitz eines Familienvaters im beschaulichen Hiddenhausen. Klaus Krencky hatte die Stellung des Chefredakteurs inne, seine Holde Gisela Krencky führte die Geschäfte, und Astrid Krencky verwaltete die Anzeigen.
Klaus Krencky war ein überaus fleißiger Patriarch, denn neben seinen Aufgaben als Chefredakteur leitete er im Dorfe Herford ein Werbestudio und es gelang ihm, beide Gewerbe miteinander zu verbinden. So hatte er das Titelbild der August-Ausgabe, das eine schwarze Mohrenpuppe zeigte, an einen Antiquitätenhändler vergeben, und auf drei Seiten unterhielt er die Leserschar mit einer „Presse-Erklärung der Margarete Steiff GmbH“. Warum bei der Nostalgie Revue noch vier Redakteurs- Gesellen in Lohn und Brot standen, erschloß sich dem Unbeteiligten nur schwer, aber es unterstrich das schwere Säckel, das der Kaufmann Klaus Krencky zu tragen hatte.
Bei den Leuten im Dorf war Vater Krencky sehr beliebt, denn er stand ihnen mit Rat und Tat zur Seite. In der Nostalgie Revue verlautbarte er etwa den Bräunlinger Altstadt-Flohmarkt und das Dattelner Bierkrugfest. Anzeigen taten kund, wo man ein Volksempfänger-Reparaturbuch oder eine Pickelhaube erwerben konnte – und wo eine Familie Krencky zu eigenen Trödelmärkten lud.
Wer die Nostalgie Revue erwarb, den plagten freilich andere Sorgen. Opa Krause, Margot Mielke, Skinhead Paul – sie alle begehrten das Heft zum Preise von 4,50 Talern vor allem, um es in einer Mußestunde auf den Schoß zu nehmen, dabei die Augen zu schließen und von vergangenen Zeiten zu träumen. Micha Schulze
P.S.: Warum ich im Präteritum schrieb, obwohl es die Nostalgie Revue noch zu kaufen gibt? Ganz einfach: Besonders zu empfehlen sind die Ausgaben von 1973. Früher war halt alles besser.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen