: Iliescu nach Wahlsieg unter Beschuß
■ Massiver Sieg der Nationalen Rettungsfront und Präsident Iliescus / Opposition: Wahlbetrug / Botschafter in Bonn: „Unregelmäßigkeiten“
Bukarest/Berlin (ap/dpa/taz) - Interimspräsident Ion Iliescu von der Front zur Nationalen Rettung liegt bei den rumänischen Präsidentschaftswahlen klar in Führung: Bis zum Dienstag entfielen auf ihn 86,23 Prozent der ausgezählten Stimmen. Der liberale Gegenkandidat Radu Campeanu erhielt bisher 10,08 Prozent, Ion Ratiu (Bauernpartei) 3,72 Prozent.
Bei der gleichzeitigen Wahl der Abgeordneten und der Senatoren liegt der Auszählung zufolge die „Front“ mit bisher 67,88 Prozent ebenfalls weit vorn. Es folgten die Ungarische Demokratische Union mit 7,25, die Liberalen mit 5,94 sowie die Grünen mit 2,74 Prozent.
Der erdrutschartige Sieg Iliescus und der von ihm geführten „Front“ hat eine Welle der Kritik ausgelöst. Ion Ratiu kündigte die Anrufung der Gerichte an. Campeanu sprach von Wahlbetrug. Selbst rumänische Diplomaten im Ausland äußerten Zweifel. So wunderte sich der Botschafter in Paris in einem Radiointerview über die hohe Zahl von 16 Millionen Wahlberechtigten bei nur 23 Millionen Einwohnern. Sein Amtskollege in Bonn sagte der taz, es habe „administrative Unregelmäßigkeiten“ bei der Wahl gegeben. Aber, fragte er, „wie sollten sich die armen Menschen zurechtfinden“ bei den großen Stimmzetteln?
Für einen großangelegten Wahlbetrug gibt es allerdings keine Bestätigung der zahlreichen Wahlbeobachter. Viele kleinere Unregelmäßigkeiten wurden jedoch festgestellt. Petre Roman äußerte sich über die niedrige Stimmenzahl der Opposition enttäuscht und kündigte die Einsetzung einer Wahlprüfungskommission an.
Präsident Iliescu bot der Opposition den Eintritt in eine Koalitionsregierung an. Alle „fähigen und kompetenten Männer“ unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit seien zur Mitarbeit beim Aufbau einer „vollständigen Demokratie“ aufgefordert. Der Liberale Campeanu erklärte jedoch, „unter den gegebenen Umständen“ sei eine Zusammenarbeit mit Iliescu nicht möglich.
D.J. Siehe Kommentar auf Seite 10
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