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Ihren mäßigen Sommer tragen Hamburger mit Fassung, mit Stolz fast. Dieser Stolz ist das Einzige, was sie haben – im Gegensatz zu, sagen wir: guter LuftAtmen muss man nun mal

Fremd und befremdlich

vonKATRIN SEDDIG

Die Stadt ist leer, die Leute haben ihre Kinder eingepackt und sind nach Spanien verschwunden, nach Südfrankreich oder in die Alpen. Die Stadt ist in den Sommerferien fast ein entspannter Ort. Man könnte einfach auch hier seine Sommerferien verbringen. Man könnte es nett haben, in Hamburg, wenn nicht der norddeutsche Sommer wäre. Samstagabend war es doch ganz schön, sagt einer. Und letzte Woche hatten wir doch auch ein paar schöne Tage. Oder im Mai, da war es doch auch mal schön. Ja. Aber in Darmstadt ist es warm. In München, wenn ich mit Leuten aus München telefoniere, dann es ist es da sehr warm. Es ist Hochsommer. Ich trage derweil Wollsocken in der Wohnung und ziehe mir morgens meinen Mantel über, wenn ich das Haus verlasse.

Der Sommer kommt noch, sagen die einen, Im August ist es immer schön, sagen die anderen, ich nicke und hoffe und bereite mich auf den Herbst vor. Ich sehe mir täglich den Wetterbericht an, und der Wetterbericht zeigt mir immer so kleine Zeichnungen von einer Sonne hinter einer Wolke. Soll heißen, dass möglicherweise die Sonne sich manchmal blicken lässt. Über den Wolken jedenfalls, da ist die Sonne, im Flugzeug ist die Chance auf Sonne groß. Hier unten dagegen ist es grau.

Der Hamburger trägt das mit Fassung, mit Stolz fast. Hamburger Wetter, sagt er dem Besucher aus dem Süden. Ich mache das auch so, denn dieser Stolz ist das Einzige, was wir hier im Norden haben, wir haben nicht die Sonne, aber wir haben den Stolz auf unser kühles Wetter. Auf den Regen und die Wolken, wir haben keine sonnigen Gemüter, hier im Norden, denn wir haben eine andere Art Sommer, eine Art herbstlichen Sommer, und dazu haben wir auch oft einen herbstlich warmen Winter und einen herbstlich angehauchten Frühling. Das macht uns nichts. Weil wir da auch nichts machen können. Wir könnten nach München ziehen, aber lieber wohnen wir im Dauerregen.

Leider ist die Hamburger Luft auch in den etwas ruhigeren Sommerferien nicht so gut, wie man meinen könnte. Die Möwen, die Elbe, die weite Welt, die steife Brise, der kühle Regen: All das suggeriert den Leuten ja so eine Art gesunder frischer Luft, die hier in Hamburg zu atmen ist, aber so ist es leider eben nicht. War Hamburg vor hundert Jahren zwar eine der gesündesten Großstädte der Welt, und hat sie jetzt, im Vergleich mit einigen chinesischen Großstädten, eine vielleicht noch irgendwie akzeptable Luftqualität, aber die wird leider immer schlechter.

Der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) hat die aktuellen Messergebnisse ausgewertet und ist zu dem Schluss gekommen, dass vor allem die Stickstoffbelastung an den großen Straßen wie der Altonaer Max-Brauer-Allee immer mehr ansteigt. Auch die Belastung durch Feinstaub nimmt zu. Für die Stickstoffbelastung sind demnach insbesondere Dieselfahrzeuge verantwortlich. Aber auch von den Kreuzfahrtschiffen im Hafen geht Verschmutzung aus. Stickoxide gehen auf die Lunge und betroffen sind extrem vor allem die, die an großen Straßen wohnen oder sich da viel aufhalten. Das sind in der Regel nicht die besser Betuchten. Die wohnen selten an mehrspurigen Ausfallstraßen. Kinder können davon krank werden, können zum Beispiel Asthma kriegen, und natürlich können wir alle Lungenkrebs davon bekommen.

Irgendwie ist das schon ein Nachteil der Großstadt. Und besonders ärgerlich ist es, wenn man sich selbst gegen ein Auto entschieden hat, gegen das Fliegen, wenig Interesse an Kreuzfahrten zeigt und dann trotzdem sich und seine Kinder vergiftet, weil man ja sich selbst und den Kindern keine bessere Luft besorgen kann. Und Atmen, das muss man einfach.

Katrin Seddig ist Schriftstellerin und lebt in Hamburg, ihr jüngstes Buch, „Eheroman“, erschien 2012 bei Rowohlt. Ihr Interesse gilt dem Fremden im Eigenen.

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