piwik no script img

KriegskulturIch und Kosovo

■ Kunstgucken mit dem Chef der Truppe im ehemaligen „Erotic Art Museum“

Wenn mit den Konflikten die Wirklichkeit verschwindet, nimmt das Normale sich das Recht, absurd zu sein: An diesem Sonnabend sprach Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping zur Eröffnung einer Ausstellung im ehemaligen Erotic Art Museum, Thema: Krieg in Kosovo. Da parkten einen halben Steinwurf von den Häusern in der Hafenstraße die dunklen Limousinen mit Sonderkennzeichen wie BN 5588, und einige Bodyguards lungerten herum; die beste Tarnung der Staatskarossen: Sie sahen aus wie etwas schwerere Jungs aus dem Millieu.

Passwort „Ausstellungseröffnung“ und schon war man in eine Pressekonferenz vorgelassen, die allerdings auf dem absoluten Minimum der Besetzung eines Ereignisses mit Regierungsbeteiligung durchgezogen wurde. Umso gespannter war das Körperwerkzeug der wenigen Anwesenden zum Podium orientiert, in der jeweils geschlechtsspezifisch Eindeutigkeit, also entweder viel Haut oder schwarzer Stoff, und bemüht um stramme Haltung im Gesicht. Vom Podium her zeigten vier Männer das ihre zurück, darunter die weichliche Version des Chefs unserer Truppe, der gerade, von Amts wegen wieder einmal empört,von den Schrecklichkeiten der bösen Gegner berichtete. Die „Ziege“, wie er wohl früher aufgrund seiner Behaarung genannt wurde, erwies sich bei der späteren Ansprache als ein Musterschüler rhetorischer Lehrgänge. Sie predigte so frei und bildungsbürgerlich protestantisch ein „Humanes“, dass man sich nicht vorstellen konnte, sein Ghostwriter hätte ihm das Wort zugesteckt. Dagegen redete ein gewisser Dr. Thomas Druyen von einem „Club of Budapest“, der sich als Anheizer in der stillen Versammlung versuchte, geradezu stümperhaft, bewegte gedanklich zum Titel der Ausstellung aber „die Schallmauer eines viel bedeutenderen Mannes ... nämlich Michel Foucault“ und so grundsätzliche Fragen des Lebens wie: „Das Ich und die Welt – Deutschland und der Krieg im Kosovo“.

Dabei wurde gelegentlich zur Malerei gezeigt, die so aussieht, als sei ein Gerhard Richter in der Technik seines Frühwerks ausgerutscht und habe sich dann entschlossen, nur noch den Stern oder die Bunte zu illustrieren. Die „Banalität des Wünschbaren“ (Scharping über seine Anwesenheit) wird in den Philosoph-wedelnden Zentralsätzen des Herrn Druyen zu dem, was die bei den Machthabern Denkenden im Kopf haben müssen, wenn sie sich weiter mit den materiellen Dingen des Lebens wie teuer gekleideter Frau und schnittigem Auto schmücken wollen: eine neue Landserpoesie. Roberto Ohrt

Stephan Kaluza: Das Maß & die Dinge. Privartmuseum, noch bis zum 24. 10.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen