: „Ich bin der Wolf“
Polizeipräsident Semerak wurde wegen Kritik am Innensenator zurückgetreten. Wrocklage will das „Primat der Politik durchsetzen“ ■ Von Silke Mertins
Nicht umsonst wurde der Hamburger Polizeipräsident Arved Semerak (CDU) von oben angewiesen, öffentliche Auftritte zu vermeiden; galt es doch, Peinlichkeiten zu vermeiden. Nun tat Semerak, den Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) sich als „starken Mann“ vor einem Jahr an seine Seite geholt hat, es in Abwesenheit seines Senators doch einmal. Und mußte prompt als Konseqenz daraus seinen Rücktritt erklären.
„Vor dem Hintergrund der öffentlich geführten Diskussion über meine Amtsführung muß ich feststellen, daß ich meine Rolle als politischer Beamter nicht nach meiner Vorstellung gestalten kann“, erklärte Semerak (57) gestern in seiner gewohnt sachlich-spröden Art.
Den ganzen Tag krisensaßen gestern Innenbehörde und Polizeiführung. Schließlich ging es nur noch um die Rücktrittsmodalitäten. Semerak, der sich zunächst noch selbst auf einer Pressekonferenz erklären wollte, wußte gar nicht so recht, wie ihm geschah: Er habe doch nur am Montag klargestellt, daß er kein „Frühstückdirektor“ sei, wie von Dieter Langendörfer, Cheffahnder der SOKO-Reemtsma, behauptet. Und Schuld an seiner politischen Unsichtbarbeit habe ohnehin der Innensenator, der alles an sich reiße.
Diese Illoyalität aber wollte und konnte sich der Innensenator nicht gefallen lassen: „Ich bin nicht der Hase, der gejagt wird, sondern ich bin der Wolf“, betonte Wrocklage gestern auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz seine Rudelführerschaft. Die Kritik Semeraks an seinem Führungsstil wies er zurück. „Niemand wird mir vorwerfen können, daß ich das Primat der Politik durchsetze“, sagte er. Schließlich sei er der demokratisch gewählte Senator.
Den von Semerak am Nachmittag angebotenen Rücktritt nahm er wegen inkompatibler Vorstellungen über die Polizeiführung an: „Es hat mindestens Mißverständnisse gegeben“, hatte Wrocklage Semerak gar keine andere Möglichkeit gelassen, als sich in den einstweiligen Ruhestand versetzen zu lassen.
Anlaß, selbst zurückzutreten, sah der Senator nicht. Die Widerstände im Polizeiapparat gegen die von ihm eingeführten Neuerungen seien verständlich: „Sie resultieren daraus, daß wir viel in Bewegung gesetzt haben.“ Die Kritik Dieter Langendörfers sehe er als „reine Polemik“ eines Gewerkschafters, der die Privilegien der Kripo gegenüber der Schutzpolizei verteidigen will. Bis ein Nachfolger gefunden ist, wird LKA-Chef Wolfgang Sielaff die Amtsgeschäfte führen.
Weiterer Bericht Seite 2; Porträt Arved Semerak Seite 11
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