IWF-Chef Strauss-Kahn auf Rikers Island: Unter Schwerverbrechern
Die Kaution wurde abgelehnt, wegen Fluchtgefahr muss Dominique Strauss-Kahn in Haft bleiben - in einem der berüchtigtsten Gefängnisse der USA.
WASHINGTON taz | Gestern noch eine Suite - jetzt muss sich der Chef des Internationalen Währungsfonds mit drei mal vier Metern begnügen. Dominique Strauss-Kahn hat am Montag in Rikers Island eingecheckt – einem der lautesten, engsten und auch gefährlichsten Gefängnisse von New York. Der Jetsetter, der versucht haben soll, eine Hotelmaid zu vergewaltigen, lebt dort jetzt unter Schwerstverbrechern. Seine Anwälte haben alles versucht, doch die Richterin blieb hart.
"Wir werden beweisen, dass er unschuldig ist", sagte Strauss-Kahns Anwalt Ben Brafman am Montag nach der Anhörung. Er und sein Kollege hatten eine Kaution von einer Million Dollar angeboten, um dem IWF-Chef die Verlegung von der Verhörzelle in das Gefängnis im East River zu ersparen. Sogar eine elektronische Fußfessel für ihren Mandanten schlugen sie vor.
Doch das alles genügte der zuständigen Richterin Melissa Jackson nicht. Bei dem international vernetzten und vermögenden Franzosen bestehe Fluchtgefahr. "Wir wollen keinen zweiten Fall Roman Polanski", erklärte ihr Kollege Daniel Alonzo. Er selber hatte Jackson daher geraten, Strauss-Kahn nicht auf freien Fuß zu lassen.
Keine Sonderbahndlung
Der Fall Polanski ist ein Trauma für die US-Behörden. Der Regisseur, der in Kalifornien wegen Sex mit einer 13-Jährigen angeklagt war, hatte sich 32 Jahre vor seiner Verantwortung gedrückt, indem er sich nach Frankreich absetzte. In den USA verjähren "sex crimes" in den meisten Staaten nach neun Jahren.
Die Behandlung des IWF-Chefs sei "absolut normal", erklärte die ehemalige Staatsanwältin Linda Fairstein. Die Behörden "haben genau das gemacht, was sie tun mussten", sagte sie dem TV-Sender CNN. Zu den vorliegenden Beweisen zählten Körperflüssigkeiten an der Kleidung des Opfers ebenso wie Hotelkamera-Bilder, die zeigen, in welchem Zustand das Opfer und der mutmaßliche Täter durch die Hotelflure laufen.
Die Bewegungsfreiheit von Strauss-Kahn beschränkt sich derweil auf eine Stunde Auslauf im Gefängnisinnenhof von Rikers Island. Wegen der üblen Bedingungen wird der 1930 errichtete Knast mit 11.000 Gefangenen in New York "der Sarg" genannt. Topmanager gehören zu den selteneren Gästen. Strauss-Kahn habe ein übliches Set bekommen: Bettwäsche, Trinkbecher, Seife, Shampoo und Zahnpaste. Um elf Uhr Licht aus.
Strauss-Kahn werden sechs Straftaten zur Last gelegt. Allein für die schwerste Anklage - sexuelle Belästigung ersten Grades - drohen ihm 25 Jahre Haft. Zudem werden ihm versuchte Vergewaltigung, sexueller Missbrauch und Nötigung vorgeworfen. Ab Freitag soll eine Grand Jury zusammentreten, die über einen Prozess gegen den 62-Jährigen entscheidet. Seine Anwälte erwägen, gegen die Ablehnung der Kaution Berufung einzulegen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Gespräche in Israel über Waffenruhe
Größere Chance auf Annexion als auf Frieden
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Krieg in der Ukraine
USA will Ukraine Anti-Personen-Minen liefern
Pistorius wird nicht SPD-Kanzlerkandidat
Boris Pistorius wählt Olaf Scholz