ISRAEL/PALÄSTINA: KEINE GRENZE OHNE DAS JA DER NACHBARN : Der Trend geht zur Zwei-Staaten-Lösung
Vor einem halben Jahr holte Israel die Siedler aus dem Gaza-Streifen, ohne zuvor mit den Palästinensern eine Regelung getroffen zu haben, die den Verlauf der Aktion für beide Seiten günstiger hätte gestalten können. Damals regierte in Ramallah noch die Fatah, die größte PLO-Fraktion und zugleich die Partei, mit der die israelische Regierung die Osloer Erklärung und viele andere Abkommen vereinbart hatte. Erst recht wird jetzt niemand erwartet haben, dass die israelische Regierung mit einer von der Hamas geführten Autonomieverwaltung zusammenkommt.
Die Reaktion, sich aus dem Gebiet zurückzuziehen, in dem eine Gruppe herrscht, die die Vernichtung Israels will, ist mehr als verständlich. Die Truppen müssen an der Grenze stationiert werden, an der Mauer und den Zaunanlagen, hinter denen man sich so lange verbarrikadieren wird, solange die neue palästinensische Führung noch kein Umdenken signalisiert. Ebenso verständlich ist Israels Wunsch, endlich die Staatsgrenzen festzulegen. Das ist nicht nur gesellschaftspolitisch wichtig, sondern auch aus Verteidigungsgründen.
Nur dürfte es problematisch werden, die Grenzen einseitig festzulegen. Keine Grenze ist von Dauer, solange sie nicht zuallererst vom Nachbarn anerkannt wird. Mit einem friedlichen Verhalten des in die Enge getriebenen Volkes hinter der Mauer darf schon gar nicht gerechnet werden. „Es kann keinen unilateralen Frieden geben“, brachte es Saib Erikat, der palästinensische Chefdelegierte bei früheren Verhandlungen, auf den Punkt.
Dabei kann die Lösung, die dem amtierenden israelischen Premier Olmert vorschwebt, für beide Seiten akzeptabel sein. Denn obschon sie Ende Januar anders votierte, unterstützt die deutliche Mehrheit der palästinensischen Bevölkerung doch die Zwei-Staaten-Lösung. Die Modelle, die die Konfliktparteien schon früher in Camp David und in Taba diskutierten, wo sie sich so nah zu sein schienen wie niemals zuvor und nie danach, sind dem Modell Olmerts ähnlich. Die Frage ist nicht, worüber man sich einigen wird, sondern welcher Weg zu einer Einigung führen wird. SUSANNE KNAUL