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Archiv-Artikel

„INVESTIVLOHN“: GEWINNBETEILIGUNG IST EIN VERLUSTGESCHÄFT Kreislauf der Enteignung

Schöne neue Zeiten für die Arbeitnehmer? Selten ist die große Koalition so einig und so begeistert wie jetzt beim „Investivlohn“, für den CDU-Kanzlerin Angela Merkel genauso schwärmt wie SPD-Chef Kurt Beck. Die Details sind noch unklar, aber irgendwie sollen die Arbeitnehmer an den Firmengewinnen beteiligt werden. Das taktische Spiel ist schnell durchschaut: Beide Volksparteien haben erkannt, wenn auch verspätet, dass sie die soziale Ungleichheit nicht mehr ignorieren können. Ihre Wähler erwarten eine Antwort, wie die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich geschlossen werden kann. Und was klingt da besser als „Investivlohn“, der suggeriert, dass aus jedem Arbeitnehmer ein Unternehmer werden kann.

Schön wär’s. Aber so funktioniert Kapitalismus nicht. Die enormen Firmengewinne lassen sich nicht einfach umverteilen, indem man die Arbeitnehmer an diesen Gewinnen beteiligt. Das kann nur ein naiver Parteistratege glauben, der sich davon einlullen lässt, dass in beiden Satzteilen „Gewinn“ vorkommt. Doch das ist nur sprachliche Kosmetik. In der Realität tobt ein knallharter Kampf ums Volkseinkommen – und wer profitiert, ist eine Frage der Macht und nicht des Verfahrens. Auch mit einer Gewinnbeteiligung werden die Arbeitnehmer verlieren, so paradox das ist.

In Zeiten der Arbeitslosigkeit sind die Unternehmer übermächtig. Sie sind es, die in den Tarifverhandlungen diktieren, wie hoch die Löhne ausfallen sollen. Deswegen sind ja die Reallöhne in den letzten Jahren nicht mehr gestiegen. Sollte nun ein Investivlohn eingeführt werden, können die Firmen die Bedingungen vorschreiben, zu denen ihre Arbeitnehmer Kompagnons werden dürfen. Der Deal ist abzusehen: Lohnverzicht gegen Gewinnbeteiligung. Für die Arbeitnehmer ist das ein Nullsummenspiel – im besten Fall. Denn sie müssten stets mit dem Risiko leben, dass die Gewinne doch nicht so üppig ausfallen wie prognostiziert.

Umverteilung tut not, das haben CDU und SPD richtig erkannt. Aber sie werden diesen Kampf selbst führen müssen – durch gezielte Steuererhöhungen für Vermögende. Ein „Investivlohn“ jedenfalls ist nur scheinheilige Rhetorik.

ULRIKE HERRMANN