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INTERVIEW„Sozialklausel gilt nur eingeschränkt“

■ Volker Hegemann vom Berliner Mieterverein zu befristeten Mietverträgen

taz: Herr Hegemann, in letzter Zeit mehren sich sich Fälle, in denen Wohnungsbaugesellschaften bei Häusern, die zurückgefordert werden, nur noch befristete Mietverträge abschließen. Ist das Rechtens?

Hegemann: Die Gesellschaften berufen sich auf eine kürzlich ergangene einstweilige Verfügung des Landgerichts Berlin gegen die Wohnungsbaugesellschaft Prenzlauer Berg, die sich auf das Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen bezieht. Aber daraus haben unserer Ansicht nach die Gesellschaften falsche Schlüsse gezogen. Denn das Landgerichtsurteil hat folgenden Hintergrund: So ist zum Beispiel ein Zehnjahresmietvertrag nicht vor zehn Jahren kündbar. Deshalb durfte die Gesellschaft nur auf ein Jahr abschließen. Aber ein unbefristeter Mietvertrag ist ja kündbar, wenn der Vermieter ein berechtigtes Interesse nachweisen kann. Deswegen können die Gesellschaften ruhig unbefristete Mietverträge abschließen. Abgesehen davon: Bei einem befristeten Vertrag kann der Mieter vor Ablauf die Verlängerung verlangen.

Das heißt, die Mieter können einen befristeten Mietvertrag ruhig unterschreiben, weil sie auf alle Fälle drin bleiben können.

Ja, die Aufregung kommt daher, daß in den neuesten Verträgen, die verschiedene Berliner Wohnungsbaugesellschaften den Besetzern vorgelegt haben, zusätzlich auflösende Bedingungen stehen, nämlich, daß sich der Vertrag auflöst, sobald der neue Eigentümer es verlangt. Aber in diesem Fall kann sich der Ex-Besetzer und Mieter bei einer Kündigung auf die Sozialklausel berufen.

Dann ist ja alles in Butter...

Nein, denn diese Sozialklausel ist bei Mietverträgen mit auflösenden Bedingungen nur in eingeschränkter Form gültig: Es werden zugunsten des Mieters, der das Mietverhältnis fortsetzen will, nur Umstände berücksichtigt, die nach Abschluß des Mietvertrages eingetreten sind.

Das heißt, der Mieterverein rät davon ab, diese Art Verträge zu unterschreiben?

Ich persönlich habe Besetzern in der Rigaer Straße im Ostberliner Stadtteil Friedrichshain zugeraten, diese Verträge abzuschließen, weil ich den Unterschied für rein akademisch halte und glaube, daß er vor Gericht vermutlich keine Rolle spielen wird. Brisant ist es allerdings, daß Mieter, die nach diesem Muster Mietverträge für Wohnungen mit ungeklärten Besitzverhältnissen abschließen, schlechter gestellt werden als andere. Außerdem werden sich manche Mieter der Ex-DDR nicht trauen, solche Verträge abzuschließen, sondern auf die Wohnung verzichten. Interview: Eva Schweitzer

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