INTERVIEW: Altbundesbürger geben Zehnten für den armen Osten
■ „Teilen mit Ostdeutschland“, Münchener Initiative wirbt bei Zahlungskräftigen für Aufbau der neuen Bundesländer
Die Mitglieder der jüngst gegründeten Vereinigung verpflichten sich, einen festen Teil ihrer monatlichen Bezüge für Aufgaben in den neuen Bundesländern und Ost-Berlin zur Verfügung zu stellen, für die öffentliche Mittel nicht oder nicht ausreichend vorhanden sind. Und zwar solange, bis eine weitgehende Angleichung der Lebensverhältnisse in beiden Teilen Deutschlands erreicht ist. Klaus Vogel, Professor für Verfassungs-, Verwaltungs- und Steuerrecht an der Ludwig-Maximilian-Universität in München, ist Vorsitzender von „Teilen mit Ostdeutschland“.
taz: Ist Ihre Initiative eine moderne Form der Caritas?
Klaus Vogel: Ich weiß nicht, was eine moderne Form der Caritas ist. Ich erläutere Ihnen lieber, warum wir diese Initiative gegründet haben: Wir sind traurig darüber, daß durch die Medien und die Politiker der Eindruck erweckt wird, daß Westdeutsche nicht oder nur sehr wenig bereit sind, abzugeben für die Menschen in Ostdeutschland, die 40 Jahre lang ohne ihre Schuld benachteiligt worden sind. Durch unsere Initiative wollen wir dieses Bild etwas zurechtrücken.
Wer macht alles mit?
Wir sind noch ein kleiner Kreis. Darunter sind Richter, wissenschaftliche Assistenten, Freiberufler.
Also alles Leute, die ziemlich gut verdienen. Wieviel Prozent ihres Monatseinkommens geben die Mitglieder ab?
Das steht jedem Einzelnen frei. Ich für meine Person gebe 10 Prozent meines Bruttoeinkommens.
Wieviel Geld haben Sie bereits zusammen?
Noch keines. Uns gibt es erst seit vier Tagen.
Versteht sich Ihre Initiative auch als Alternative für Betuchte zur Steuererhöhung?
Ich bin der Meinung, daß unabhängig von Steuererhöhungen auch private Initiativen gefragt sind.
Für welchen Zweck soll das Geld ausgegeben werden, und wer entscheidet über die Vergabe?
Es wird ein Kuratorium bestellt und dafür suchen wir Leute zu gewinnen, die für die Vereinigung Vertrauen schaffen.
Haben Sie schon prominentere Mitmacher und MitmacherInnen?
Unser Schatzmeister ist Richter des Bundesfinanzhofes, auch der Präsident des Bundesfinanzhofes, Prof. Dr. Franz Klein, macht bei uns mit.
Können Sie Beispiele nennen, wie das Geld eingesetzt werden könnte?
Das hängt natürlich davon ab, wieviel Geld zusammenkommt. Wir denken aber an die Förderung von Schulungs- und Umschulungsmaßnahmen, an Umwelt- und Denkmalschutz. Vielleicht könnte man auch einmal ein Orchester unterstützen, für das plötzlich keine Mittel mehr bereitstehen und das nun ins Nichts fällt. Wir könnten auch Leute unterstützen, die nach drüben gehen und Ratschläge geben. Nicht diejenigen, die so verdienen wollen, sondern solche, die uneigennützig in die neuen Länder gehen und dort mithelfen.
Das alles kostet eine ganze Stange Geld. Mehr als ein Zeichen wird Ihre Initiative wohl kaum setzen können?
Sicher versteht sie sich in erster Linie symbolisch. Wenn sie aber den Zuspruch findet, den wir ihr wünschen, wird sie auch die Mittel für diese Aufgaben haben. Interview: Ulrike Helwerth
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