piwik no script img

INTERVIEW»Man soll sehen, wo die Mauer stand«

■ Der Stadtplaner Wulf Eichstädt fordert in der Diskussion mehr Einmischung der Bürger

Wulf Eichstädt, Stadtplaner und Architekt, war u.a. mit der Vorbereitung des »Stadtforums« beschäftigt.

taz: Gibt es Stellen am ehemaligen Todesstreifen, an denen bereits Fakten geschaffen wurden?

Eichstädt: In eine wirklich falsche Richtung ist bisher außer der Idee, eine Autobahntrasse am Teltowkanal entlang zu bauen, bis jetzt noch nichts gelaufen. Es gibt schon kleine, ärgerliche Sachen wie etwa die Einmündung der Stresemannstraße am Grenzstreifen. Die wird jetzt einfach verkehrstechnisch abgeknickt — da wurde viel zu schnell und ohne Pläne entschieden. Durch die typischen verkehrsplanerischen Sünden, die es den Autos bequem machen, wird der Stadtraum zerstört.

Was muß allgemein jetzt passieren, um über den Grenzstreifen hinweg die Stadt wieder zusammenwachsen zu lassen?

Jetzt müßten sich die Bürger von beiden Seiten einmischen, mit eigenen Vorschlägen, eigenen Diskussionen. Die müssen dann die Bezirke gewinnen und diese wiederum ihre Pläne mit dem Senat ausfechten.

Wer hat im Augenblick das größere Gewicht in der Stadtplanung — die Bezirke oder der Senat?

Es ist sicherlich so, daß der Senat viel mehr Rechte beansprucht als früher. Aber ich denke, das kann sich schnell ändern, wenn die Bürger das wirklich wollen. Im übrigen ist es in einer solchen Umbruchphase recht normal, daß die Zentralstelle erst mal Regie führt. Was allerdings nötig ist, sind loyale, solidarische Abstimmung und Konsultationen zwischen Bezirk und Senat. Es darf keine Entscheidungen über den Kopf der lokalen Institutionen hinweg geben.

Welche Chancen haben überhaupt Bürgerinitiativen, ihre Vorstellung über den Grenzstreifen vor der Tür zu beeinflussen?

Je besser sie sich organisieren — wie etwa der Verein Luisenstadt — desto besser erreichen sie die Öffentlichkeit und die Medien und desto eher sind die Politiker dann geneigt, das in ihr Kalkül mit einzubeziehen.

Wie ist Ihre Bewertung des Verhältnisses zwischen den beiden Senatsverwaltungen? In manchen Bezirksämtern herrscht der Eindruck, Umweltsenator Hassemer als oberster Zuhörer des Stadtforums spiele nur Theater, während Bausenator Nagel die wichtigen Entscheidungen trifft.

Ja, da bei dem Bausenator viel mehr Geld und viel mehr unmittelbare Entscheidungen liegen, kann so ein Bild schon realistisch sein. In den vergangenen Jahren hat das zu Blockierungen geführt. Wie dieser Hahnenkampf hier ausgehen wird, wird von der ganzen Stadt mit Interesse beobachtet.

Kommt die Stadtplanung für den grenznahen Raum nicht insgesamt etwas langsam in die Gänge?

Erstens spielt eine Rolle, daß es das Geld nicht gibt, was man sich wünschen würde. Zum zweiten gibt es so viel mehr neue Ansprüche, die erst mal sortiert werden sollen. Dann hat natürlich der Regierungswechsel den Planungsprozeß zwischenzeitlich einschlafen lassen. Die Planer haben eigentlich immer ein dreijähriges Planungsmoratorium gefordert. Für die ist das nichts Ungewöhnliches.

Was wird in nächster Zeit passieren?

Wichtig wird die Verkehrsdebatte auf dem Stadtforum sein. Ohne eine Verkehrsplanung kann der grenznahe Raum eigentlich nicht geplant werden.

Wie sind Ihre Vorstellungen für den Grenzstreifen?

Zunächst einmal sollte soviel wie möglich freibleiben. Man soll noch erkennen können, daß dort einmal die Mauer stand. Der Bereich sollte den Bürgern gehören, nicht den Geschäftsleuten. Dafür muß sicherlich noch eine Weile mit den Bürgern gegen Investoren und Eigentümer gestritten werden. Interview: Karen Pfundt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen