INTERVIEW: Bauernregeln stimmen häufig
■ Professor Horst Malberg, Meteorologe an der FU Berlin, vergleicht seit fünf Jahren die alten Bauernregeln mit modernen Wetterstatistiken.
taz: Drei Meter Neuschnee auf der Zugspitze, Überschwemmungen in Süddeutschland, grauer Himmel und Nieselregen in Berlin. Was sagen die Bauerregeln für die nächsten Wochen voraus. Wird es denn überhaupt noch einen Sommer geben?
Prof. Malberg: Für den Hochsommer im Juli gibt es zwei Bauernregeln, die uns Hoffnung machen. Die eine Regel lautet: „Hält Sankt Ruprecht den Himmel rein, so wird es auch im Juli sein.“ Ruprecht ist am 28. März. Die zweite Regel besagt: „Regnet es am Amantiustag“ — das ist der 8. Juni —, „ein trockener Sommer folgen mag.“ In beiden Fällen sind die Voraussetzungen erfüllt. Die Aussagen der beiden Bauernregeln werden durch wissenschaftliche Untersuchungen in meiner Abteilung gestützt. Demnach bekommen wir aller Wahrscheinlichkeit nach einen warmen, freundlichen und vergleichsweise trockenen Juli.
Und was sagen die Bauernregeln zum August?
Eine eigene Bauerregel für den August gibt es nicht, weil die Bauern unter Sommer immer den Hochsommer verstanden haben, der etwa bis 10. August geht. An den Temperaturaufzeichnungen der letzten 200 Jahre läßt sich auch sehr schön zeigen, daß der Hochsommer bei uns danach langsam zu Ende geht. Wir gehen mit großem Vorbehalt davon aus, daß wir einen normalen August bekommen, weder sonderlich gut, noch sonderlich schlecht.
Welche Eintreffgenauigkeit haben Sie bei den Bauernregeln festgestellt?
Ich habe jahrelang Baurenregeln untersucht und mehrere hundert auf ihre Eintreffgenauigkeit überprüft. Die durchschnittliche Bauernregel — dazu gehören auch die beiden oben genannten — hat eine Eintreffwahrscheinlichkeit von ungefähr 67 Prozent. Das heißt, sie führt in zwei von drei Fällen zum richtigen Ergebnis. Die besten Bauernregeln — zum Beispiel: „Warmer Oktober bringt fürwahr stets einen kalten Januar“ — treffen in 90 Prozent der Fälle zu. Es gibt natürlich auch Bauernregeln, die im Berliner Raum nicht stimmen, dafür aber in den Alpen. Oder aber das Klima hat sich seit dem Mittelalter verändert.
Wo liegt der Ursprung dieser Regeln?
Sie gehören zum Kulturgut aller Völker. Sie sind in China ebenso vertreten wie im alten Palästina. Die Regel „Morgenrot, schlecht Wetter droht“ steht bereits in der Bibel. Man findet sie in den USA bei den Indianern genauso wie in Mitteleuropa. Den ältesten Hinweis auf Bauernregeln finden wir um das Jahr 1200 bei dem Wissenschaftler Albertus Magnus. Vor der Erfindung der Buchdruckerkunst wurden sie mündlich überliefert. Die erste Sammlung von Bauernregeln in Buchform wurde um 1500 von Leonard Reynmann herausgegeben.
Zurück zum Wetter. In Bangladesch forderte die Flutkatastrophe Zehntausende von Menschenleben. In Sidney kam es zu den heftigsten Regenfällen seit 100 Jahren. Sind das schon Folgen des Treibhauseffekts?
Das Auftreten heftiger Stürme ist ein Kriterium für eine Übergangsphase zum Treibhauseffekt. Ich persönlich würde das als ein wichtiges Indiz in Richtung des Treibhauseffekts betrachten ...
Und welchen Einfluß haben die brennenden Ölquellen in Kuwait oder auch die Vulkanausbrüche an der Pazifikküste auf das mitteleuropäische Klima?
Nach allem was wir bis heute wissen, haben die brennenden Ölquellen nur regionale Auswirkungen — das heißt, in einer Umgebung von 100 bis 1.000 Kilometern wird es Auswirkungen geben. Schon in historischer Zeit hatten die Vulkanausbrüche im pazifischen Raum durchaus nachweisbare Auswirkungen auf das Wetter. Interview: Plutonia Plarre
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