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INTERVIEW„Es brodelt“

■ Klaus-Dieter Hommel, stellvertretender Vorsitzender der Bundesbahnbeamten-Gewerkschaft (GDBA), zu den Warnstreiks

Seit Anfang der Woche bestreiken die Gewerkschaft Deutscher Bundesbahnbeamter, Arbeiter und Angestellter im deutschen Beamtenbund (GDBA) und die Gewerkschaft der Lokomotivführer (GdL), ebenfalls im Beamtenbund organisiert, punktuell die Deutsche Reichsbahn. Vor zwei Tagen legten sie den Reiseverkehr an Europas größtem Kopfbahnhof in Leipzig lahm. Die DGB-„Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands“ (GdED) verzichtete bislang auf einen Warnstreik. Am Mittwoch sagten die Tarifparteien der Arbeitgeber, vertreten durch den Bahnvorstand, Abschlagszahlungen zu. Dennoch gab es auch gestern wieder Warnstreiks, so in Erfurt, Rostock und Wismar, während die Tarifverhandlungen fortgeführt wurden.

taz: Für Ihre Reichsbahn-Kollegen forderten Sie bislang 75 Prozent der Westgehälter und -löhne. Bonn hat 60 Prozent geboten, sind Sie damit zufrieden?

Klaus-Dieter Hommel: Wir sind nicht zufrieden. Wir akzeptieren das und gehen davon aus, im Februar nachzuverhandeln und auf 70 Prozent zu kommen. Außerdem erreichen wir damit, daß die Zulagen analog zur Bundesbahn gezahlt werden.

Bis Ende des Jahres erhält jeder Reichsbahner Abschlagszahlungen, maximal 150 Mark im Monat. Bonn ist also auf Ihre Forderungen weitgehend eingegangen. Warum streiken Sie weiter?

Um unseren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Bislang hat Innenminister Schäuble (als höchster Vertreter der Arbeitgeber, d. Red.in) alle Forderungen strikt abgelehnt. Erst als wir den Reiseverkehr in Leipzig zum Erliegen gebracht haben, hat Bonn eingelenkt. Außer um die Abschlagszahlung geht es auch um eine Anrechnung der Beschäftigungszeiten und die Einstufung nach dem tatsächlichen Lebensalter.

Was ist mit dem Kündigungsschutzabkommen, daß Sie für Ihre Kollegen, die älter als 40 Jahre sind, vehement eingeklagt haben?

Aus dem Abkommen ist erst einmal nichts geworden.

Zur Zeit laufen viele Reichsbahner Sturm gegen die Arbeitsplatzbeschreibungen und Eingruppierungen des Verkehrsministers. Da werden Tätigkeitsmerkmale nicht aufgeführt; de facto kommt es so zu Herabstufungen für Arbeiter und Angestellte.

Der Knackpunkt liegt darin: Die Reichsbahn mit derzeit noch 230.000 Beschäftigten hat die gesamte Palette der Tätigkeiten, vom einfachen bis zum höheren Dienst, aufzubieten. Und das ist ein großer Verwaltungsaufwand. Den müssen Sie bei den Eingruppierungen berücksichtigen. Und diesen Aufwand hat die Bahn noch nicht geschafft.

Bei den Warnstreiks machen Sie gemeinsame Sache mit der Gewerkschaft der Lokomotivführer (GdL). Sie sind sich doch nicht sonderlich grün. Die GdL sagt offen, daß die Reichsbahn einen Wasserkopf in der Verwaltung hat, der träge und dumm sei.

Über die Verwaltung muß man reden. Man kann nicht in kurzer Zeit erwarten, daß sich eine Verwaltung flexibler zeigt. Aber die GdL ist auch im Deutschen Beamtenbund organisiert, genauso wie wir. Und da machen wir gemeinsame Aktionen.

...die Sie nicht mit der Gewerkschaft der Eisenbahner, die unter dem Dach des DGB ist, machen. Sie vertreten den kleineren Teil der organisierten Reichsbahner.

Wissen Sie, Zahlen sind problematisch. Die GdE behauptet, 80 Prozent der Eisenbahner zu vertreten. Das wären rund 184.000. Wir vertreten 30.000. Aber wir gehen von einem Organisationsgrad von etwa 50 Prozent, also 115.000 Reichsbahnern aus. Und wissen Sie, von allen Kollegen bekommen wir Unterstützung bei den Warnstreiks. Die Stimmung bei der Reichsbahn ist angespannt. Da brodelt es.

Wie viele Kollegen haben sich an den Aktionen in Leipzig am Mittwoch beteiligt?

Da waren 200 bis 300 Kollegen dabei. Das reicht aus, um deutlich zu machen, wo wir hinwollen. Interview: Annette Rogalla

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