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INTERVIEW„Auf den Rechtsnormen beharren“

■ Daniel Cohn-Bendit, Frankfurter Dezernent für Multikulturelles, zur Gewalt in Hoyerswerda

taz: Sachsens Innenminister Krause schlug nach den pogromartigen Angriffen auf Ausländer in Hoyerswerda vor, Zäune um die Heime von Asylbewerbern zu ziehen. Sollte man nicht besser diejenigen einsperren, die die ausländischen Bürger gewalttätig bedrohen?

Cohn-Bendit: Wesentlich ist, daß man den Menschen in Sachsen, und nicht nur dort, eines klarmacht: Das Recht auf Asyl ist ein Grundrecht, und Grundrechte muß man aktiv verteidigen. Es müßten der Bundeskanzler, der Bundesinnenminister und Sachsens Biedenkopf nach Hoyerswerda fahren und dort erklären: Das Asylrecht, die Würde und die Unverletzlichkeit eines jeden einzelnen Menschen müssen von der Gesellschaft verteidigt werden. Es geht nicht darum zu sagen, „mit den Kids müßte geredet werden“. Vielmehr muß man zuerst klipp und klar auf der Einhaltung rechtlicher Normen beharren. Das erfordert Mut.

Tatsächlich aber waren die Leute in Hoyerswerda in ihrem Sinn erfolgreich. Die Mosambikaner sind ausquartiert. Die praktische Politik legitimiert die Gewalt.

Von dem Zeitpunkt an, wo man Asylsuchende umverteilt, muß man das auch politisch und notfalls mit Hilfe staatlicher Macht durchhalten. Man muß den Menschen sagen: Die Grundrechte gehören zur Bundesrepublik, wenn man ihr beitreten wollte, dann wollte man zu diesen Gesetzen beitreten. Die Pflicht dazu haben CDU-Politiker. Jetzt wird sichtbar, daß in unserer Gesellschaft ein antirassistischer Konsens nie wirklich durchgesetzt worden ist. Der Fremdenhaß in der ehemaligen DDR ist nicht angewachsen, die Demokratie bringt ihn zum Vorschein.

Krause erklärt aber heute: „Es gibt auch Asylbewerber, die sich in ihren Unterkünften und in ihrem Umfeld nicht so verhalten, wie es zum normalen Umgang und zum Kulturniveau hier gehört“...

Das ist einfach das traditionelle Argument — man sucht bei den Opfern die Schuld für ihre Verfolgung. Migranten verhalten sich so, so suggeriert der sächsische Innenminister, daß sie die braven Deutschen eben provozieren. Alle politischen Eliten drehen im Moment in der Frage des Asyls und der Migration durch — das gilt auch für Frankreich. Sie emotionalisieren die Debatte.

Nun gibt es ja Leute, die einfach um Verständnis für die Aggressoren werben: 40 Jahre DDR, Betonsilos, soziale und wirtschaftliche Unsicherheit...

Mit dieser sozialarbeiterischen Argumentation ist der konkrete Konflikt nicht zu klären. Ich war entsetzt über das junge Mädchen aus Leipzig, das in der letzten Monitor-Sendung auftrat. Sie legitimierte absolut cool, warum sie ein Wohnheim mit Molotowcocktails angreifen werde.

Was ist mit Sanktionen?

Ich bin für harte Strafen. Dieses junge Mädchen antwortete im Fernsehen auf die Frage „Es könnte Tote geben?“ sinngemäß: „Das ist Pech, die hätten nicht zu kommen brauchen, das nehmen wir in Kauf!“ Das ist die Vorbereitung zu einer kriminellen Vereinigung. Warum nimmt man diese Leute nicht fest, sie bereiten einen Mord vor! Man stelle sich einmal vor, zehn Autonome hätten mit diesen Worten eine Aktion gegen das Amerikahaus angekündigt... Das staatliche Gewaltmonopol darf nicht länger zur Diskussion gestellt werden. Solche Rechnungen werden am Schluß auch von den Asylsuchenden bezahlt. Interview: Götz Aly

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