piwik no script img

INTERVIEW»Einsatzleitung war unfähig«

■ Studiendirektor Heinz Steireif zum Vorgehen der Polizei beim Trauermarsch

taz: Während der Abschlußkundgebung bei der Demonstration für Mete Eksi kam es zu einem massiven Polizeieinsatz. Was ist vorgefallen?

Heinz Steireif: Wir waren mit Schulklassen auf dem Trauermarsch, weil Mete bis zum Sommer Schüler des Oberstufenzentrums war. Gegen Ende der Veranstaltung marschierte plötzlich, von der Martin-Luther-Straße kommend, die Polizei im Laufschritt quer durch die Demonstranten. Es war eigentlich vorher nichts passiert. Neben mir wurden die Leute an die Glasscheibe der Bushaltestelle gedrückt, und die Polizisten prügelten los. Die Leute neben mir haben mit Sicherheit nicht irgend etwas geworfen. Ein Stück hinter der Haltestelle drängten sie gleichzeitig die Leute massiv mit Knüppeleinsatz auf die Straße. Da entstand Panik. Die Leute sind auf die Martin- Luther-Straße und stürzten über die fest installierten Absperrungen, die dort die Straßenhälften teilen. Dort wurde eine Frau verletzt. Vier Polizisten stürzten sich auf einen Demonstranten und prügelten auf ihn ein.

Haben Sie einen Grund erkannt, warum die Polizei so vorgegangen ist?

Überhaupt nicht. Es mag sein, daß ein Stein oder eine Dose geflogen ist. Es gab auch einen Knallkörper. Aber der Platz war friedlich. Eine Polizei, die der Lage gewachsen ist, hätte einzelne Täter herausgreifen können, aber nicht mit diesem massiven Einsatz gegen mindestens 6.000 bis 7.000 Menschen vorgehen müssen. Da waren Kinder auf dem Platz. Ich habe verletzte Kleinkinder gesehen. Da war eine Panik unter alten Leuten und türkischen Frauen mit Kopftüchern. Das war unverantwortlich. Ich habe einen Polizisten gesehen, der am Rande eine Diskussion mit völlig aufgeheizten Jugendlichen hatte. Der Polizist hat wunderbar dazu beigetragen, die Situation zu beruhigen. Das wäre auch die richtige Taktik gewesen. Der massive Einsatz von Gewalt hat zur Panik und zu dem geführt, was dann passierte.

Hat die Polizei völlig unverhältnismäßig reagiert?

Ja. Wir sind ja keine ständigen Besucher von Demonstrationen. Wir waren mit Schulklassen da. Die Schulklassen haben praktischen Politikunterricht gesehen. Zwei Schülerinnen mußten wir mit einem halben Schock und weinend nach Hause bringen. Die Türken haben natürlich noch wesentlich hysterischer reagiert als wir. Ich habe schreiende alte Frauen gesehen, die ihre Kinder schützen wollten, völlig aufgelöste Männer. Unser Vorwurf geht nicht gegen die Polizisten, sondern nur gegen die unfähige, völlig überforderte Einsatzleitung, die überhaupt keinen Begriff von Verhältnismäßigkeit der Mittel hatte. Bündnis 90/Grüne wollen die Ereignisse auch am nächsten Montag im Abgeordnetenhaus zur Sprache bringen und suchen noch Zeugen. Interview: plu

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen