INTERVIEW: Frauen wollen siegen, Männer nicht verlieren
■ Poul Hyltgaard, Vizepräsident der FIFA, über die Konzeption für den Frauenfußball
Seit 1990 gibt es im Weltfußballverband FIFA eine ständige Frauenkommission. Sie wird von einem Mann, dem Dänen Poul Hyltgaard, geleitet, der die 1. Frauen-WM in China vorbereitet hat.
taz: Die ersten Weltmeisterschaften der Fußballerinnen verlaufen optimal: tolle Spiele, viele Zuschauer. Ist die Volksrepublik China als Austragungsland optimal?
Poul Hyltgaard: Wer könnte schon sagen, daß es nicht in Brasilien genauso wäre. Aber meine Erwartungen sind wirklich übertroffen — von der Qualität der Spiele und der Begeisterung des Publikums. Im Spiel USA gegen Japan feuerten zum Beispiel 16.000 ChinesInnen die Japanerinnen an, nur weil sie im Turnier noch kein Tor erzielten. Dabei sind Japaner in China nicht gerade beliebt. Die Organisatoren fragten mich, was sie verändern sollten. Ich habe ihnen geantwortet: nichts.
Aber FIFA-Präsident Joao Havelange hat doch die komplizierte Visa-Praxis kritisiert, Journalisten ärgern sich über den chinesischen Formalismus. Sie nicht?
Nein. In dieser Volksrepublik sind die Behörden nunmal strenger. Hier denkt und handelt man anders als in Europa. Das ist eben so.
Sie sind der Chef der Frauenkommission im Weltfußballverband. Ist diese WM für die FIFA nicht nur ein Nebenprodukt?
Ja wäre falsch, aber auch nein wäre falsch. Auf dem FIFA-Kongreß 1986 vor der WM in Mexiko fragte eine Norwegerin, warum es keine Frauen-WM gibt. Daraufhin begann Präsident Havelange sofort mit der Arbeit. Henry Fok, ein Multimillionär aus Hongkong und Exekutiv-Mitglied der FIFA, schlug China für einen Testwettbewerb vor. 1989 wurden die Wettbewerbe dann vergeben. Frauenfußball ist nicht gekommen, um gleich wieder zu verschwinden.
Beunruhigt es Sie nicht, daß es noch keine Kandidaten für die nächste WM im Jahre 1995 gibt?
Es gibt wirklich keine. Aber es gibt Länder, in denen ich mir eine Austragung vorstellen kann.
Die Bundesrepublik ja wohl auf keinen Fall...
Warum nicht?
Weil das Interesse der Deutschen am Frauenfußball sehr gering ist.
Das versteh' ich nicht. Immerhin mußten beim EM- Finale 1989 in Osnabrück 5.000 ZuschauerInnen nach Hause gehen, weil sie keine Karten mehr bekommen hatten. Wenn sich nach dieser Weltmeisterschaft kein Interesse entwickelt, weiß ich nicht mehr weiter. Wir sahen hier eine Neuorientierung des Fußballs: Die Frauen wollen gewinnen, während Männer nicht verlieren wollen.
Sie wünschen sich jetzt natürlich die USA als Weltmeister, damit der Frauenfußball noch 1996 in Atlanta einen Platz im olympischen Programm findet.
1996 ist wohl noch kein Platz da. Aber bis 2000 will es die FIFA schaffen. Frauenfußball erfüllt alle Auflagen des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Diese Sportart gibt es in achtzig Ländern, nur in moslemischen Ländern darf nicht gespielt werden.
Wird Havelange als IOC-Mitglied möglicherweise die Bewerbung Pekings für Olympia 2000 unterstützen, weil die chinesische Hauptstadt sich stärker für den Frauenfußball einsetzen wird als zum Beispiel Berlin?
Für eine Antwort ist es noch zu früh. Aber wir sind überzeugt, daß China die Olympischen Spiele mit zwei Fußballturnieren ausrichten könnte.
Frauenfußball ist sehr unterschiedlich entwickelt: In Afrika mußten vier Verbände absagen, weil sie kein Geld oder zu wenig Spielerinnen hatten...
Das ist ein altes Problem. Vor zwanzig Jahren war es bei den Männern genauso. Wir werden verstärkt Schiedsrichter- und Trainerkurse organisieren und internationale Meisterschaften in diesen Regionen fördern. Bei den Männern ist das Niveau heute fast ausgeglichen, so wird es bei den Frauen auch bald sein.
Stellen Sie sich vor, Sie dürften bei der FIFA drei Wünsche für den Frauenfußball abgeben.
Ich brauche mir keine Unterstützung zu wünschen, weil ich sie bereits bekomme. Ich würde mir etwas mehr Interesse bei den Medien wünschen. Vor allem vom skandinavischen Fernsehen und deutschen Zeitungen bin ich enttäuscht. Diese Spiele hier sind ein Erlebnis.
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