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INTERVIEWMan darf nicht im Zustand der Todsünde zur Jungfrau

■ Ein Gespräch mit der Hausfrau Hilda Conde Enriquez über eine Pilgerreise zum portugiesischen Wallfahrtsort Fatima

Am 13. Mai 1917 erschien im portugiesischen Dörfchen Fatima drei Kindern, die auf einer Weide Schafe hüteten, eine Jungfrau. Sie machte den Kindern drei Weissagungen: den frühen Tod von zwei der drei Kinder — diese Prophezeiung traf ein. Die dritte, Lucia, lebt heute in einem Kloster in Fatima. Außerdem sagte die Jungfrau die erneute Bekehrung Rußlands zum Glauben voraus. Über die dritte Weissagung wird Stillschweigen gewahrt. Im vergangenen Jahr stattete der Papst der Schwester Lucia einen Besuch ab. Es heißt, daß er die dritte Prophezeiung kenne — ebenso wie seine Vorgänger. Laut Gerüchten, die jedoch vom Vatikan dementiert werden, soll diese Weissagung die Apokalypse prophezeien, wie sie im Johannesevangelium dargestellt wird. Ende der siebziger Jahre entführte ein irischer Katholik ein spanisches Verkehrsflugzeug. Seine einzige Forderung: die Enthüllung der dritten Weissagung. Er gab jedoch nach wenigen Stunden auf.

Hilda Conde Enriquez, 64, ist Hausfrau, verwitwet, und lebt in Madrid. Sie ist je zweimal nach Fatima und in den französischen Wallfahrtsort Lourdes gepilgert.

taz: Warum sind Sie nach Fatima gepilgert?

Hilda Conde Enriquez: Viele fahren nach Fatima, um von der Jungfrau etwas zu erbitten — Gnadenerweise, Heilung von einer Krankheit oder irgend etwas anderes, das sie brauchen. Und natürlich fährt man hin, weil man die Jungfrau sehr verehrt.

Was ist das Besondere an der Jungfrau von Fatima im Vergleich zu anderen Erscheinungen?

Im Grunde handelt es sich bei den Erscheinungen natürlich immer um dieselbe Jungfrau, nämlich die Mutter Gottes, aber es gibt dennoch Vorlieben. Seit ich klein war, mochte ich besonders die Jungfrau der Schmerzen. Außerdem gibt es in Fatima Seherinnen — das lockt viele Leute an. Da kann man dann erfahren, wie die Jungfrau den drei Kindern erschienen ist und was sie gesehen haben. Man sieht den Ort der Erscheinung. Und das sind ja alles wunderbare Dinge.

Haben Sie sich etwas von der Jungfrau erbeten?

Ich bin nicht wegen eines speziellen Wunsches nach Fatima gefahren. Ich habe wohl um irgend etwas gebeten, aber das war nicht die Hauptsache für mich. Wenn man gläubig ist und die Jungfrau verehrt, fährt man dorthin, um die Jungfrau zu sehen.

Was macht man in Fatima? Gibt es vorgeschriebene Riten?

Zuerst geht man zum gekreuzigten Christus, das ist das Wichtigste, und betet zu ihm. Dann muß man an der Messe teilnehmen und das Abendmahl empfangen, um an der Gnade Gottes teilzuhaben. Und man muß natürlich beichten, falls das nötig sein sollte. Man darf nicht im Zustand der Todsünde zur Jungfrau gehen. Dann schaut man sich die Örtlichkeiten an und betet zur Jungfrau. In Lourdes gibt es Wasserbecken, in denen die Kranken baden. Man kann das Wasser auch kaufen und mitnehmen. Ich war zweimal in Lourdes. Das gefällt mir eigentlich besser als Fatima. Die Reise über die Pyrenäen ist wunderschön, und der Ort selbst ist auch hübscher — nicht soviel Asphalt wie in Fatima. Aber nach Lourdes kommen sehr viele Kranke, und die machten meiner Tochter Angst. Zwar gibt es auch in Fatima Kranke, aber weniger als in Lourdes. Viele Leute erbitten etwas von der Jungfrau und versprechen, daß sie ihr eine Kerze stiften oder zu Fuß nach Lourdes pilgern, wenn ihr Wunsch in Erfüllung geht. Ich finde das nicht richtig. Das klingt, als stelle man der Jungfrau Bedingungen: Du bekommst deine Kerze nur, wenn du etwas für mich tust.

Wie haben Sie sich nach der Pilgerreise gefühlt?

So wie ich mich immer fühle, wenn ich etwas Feierliches erlebt habe. Es kommt auch hier in Madrid vor, daß mich eine Feier besonders berührt. Dann gehe ich mit dem festen Willen weg, besser zu werden. Außerdem reise ich gern — eine Pilgerfahrt ist ein guter Anlaß zu reisen.

In letzter Zeit wird wieder häufig darüber spekuliert, worin die dritte Weissagung von Fatima bestehe. Macht Ihnen das nicht ein wenig Angst?

Ja, das schon. Die zweite Weissagung über Rußland scheint sich ja nun zu erfüllen. Wie die dritte Prophezeiung lautet, weiß man nicht. Aber die Welt geht ohnehin unter, wenn Gott es will, und man muß in der Gnade Gottes leben. Mehr kann man ohnehin nicht tun. Interview: Antje Bauer

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