INTERVIEW: „Solche Konstruktionen sind einfach infam“
■ Monika Haas weist die Behauptung zurück, sie habe gleichzeitig für die Palästinenserorganisation PFLP, die RAF, die Stasi und westliche Geheimdienste gearbeitet
Monika Haas (43) war in den frühen siebziger Jahren in den „Komitees gegen Folter an politischen Gefangenen“ aktiv. 1975 tauchte sie im Nahen Osten unter. Dort heiratete sie ein führendes Mitglied der Palästinenserorganisation PFLP, im südjemenitischen Aden. Im Jahr 1980 reiste sie hochschwanger erstmals und inkognito wieder in die Bundesrepublik ein, kehrte jedoch 1981 noch einmal zu ihrem Mann zurück. 1982 kam sie nach dem Scheitern der Ehe mit ihren Kindern endgültig in die BRD zurück. Seitdem kursieren in den Medien immer wieder Berichte über ihre vielfältigen Verbindungen, zu denen sie sich bisher nie geäußert hat.
taz: Frau Haas, was veranlaßt Sie, sich jetzt öffentlich über Ihre Vergangenheit zu äußern?
Monika Haas: Der Grund ist die Brisanz und die Gefährlichkeit der Lügen, die sowohl in dem Buch als auch in dem 'Spiegel‘-Artikel dieser Woche über mich verbreitet werden. Es war schon früher manches übel, aber ich habe immer gedacht: „Da mußt du durch, das wird sich legen“. Aber die neuen Veröffentlichungen haben eine Qualität, die ich einfach lebensbedrohlich finde.
Wenn das, was im Buch über Sie geschrieben steht, wahr ist, sind Sie nicht nur eine „schöne Frau“, sondern Sie waren vor allem eine Topfrau: verheiratet mit einem Führer der radikalen Palästinenserorganisation PFLP, Mitglied der RAF, Informelle Mitarbeiterin der Stasi und gleichzeitig des Bundesnachrichtendienstes.
Also ich würde in der Tat gern mal jemand kennenlernen, der so eine Nummer real bringt. Ich halte so etwas für faktisch unmöglich.
Die Behauptung lautet, Sie seien ein Bindeglied zu Inge Viett gewesen, die sich als Frau des „2. Juni“ und später der RAF regelmäßig wie Sie im Nahen Osten aufhielt und außerdem angeblich schon vor 1978 Informelle Mitarbeiterin der Stasi war. Welche Erfahrungen haben Sie mit Inge Viett gemacht?
Ich habe überhaupt keine Erfahrungen mit Inge Viett gemacht. Ich habe sie nie kennengelernt.
Weder im Nahen Osten noch sonstwo?
Richtig. Solange ich noch in politischen Zusammenhängen hier in der Bundesrepublik war, saß sie nach meiner Erinnerung im Gefängnis. Ich habe sie auch später im Nahen Osten nie kennengelernt.
Dennoch werden auch Sie, die „schöne Frau“, stets in einem Atemzug mit Inge Viett als Informelle Mitarbeiterin der Stasi genannt. Sie sollen unter dem Decknamen „Wolf“ geführt worden sein.
Davon habe ich im vergangenen Oktober über meinen Anwalt erfahren, als die Autoren des Buchs mich baten, ihnen Hintergrundmaterial für ihr Buch zu liefern. Ich habe den Herren damals mitteilen lassen, daß sie mich offensichtlich überschätzen. Selbst wenn ich gewollt hätte, hätte ich ihnen nicht helfen können. Einfach, weil ich nichts weiß.
Der Deckname „Wolf“ taucht aber offenbar in den reichen Aktenbeständen der Stasi auf. Wollen Sie sagen, daß die Person, die sich dahinter verbirgt, nicht mit Ihnen identisch ist?
Das weiß ich nicht. Mir ist nicht klar, was die Stasi mit mir gemacht hat. Ich weiß nur, daß ich unter der DDR- Führung jahrelang sehr gelitten habe. Der Geheimdienst der DDR hat keine Möglichkeit ausgelassen, mich im Nahen Osten bei palästinensischen Gruppen und auch bei Regierungen als Agentin des BND, des BKA und sogar der CIA zu diffamieren. Das einfache Kalkül war, meinen damaligen Mann zu diskreditieren.
Die politische Meinung meines Mannes hat der DDR- Führung offensichtlich nie gepaßt. Sie haben nach der Maxime gehandelt, wenn du einen arabischen Mann treffen willst, dann schlage seine Frau. Sie haben jahrelang Mißtrauen gesät.
Ihr Mann war hoher Funktionär der PFLP, stand also in Opposition zur PLO. Hat die DDR sich einseitig auf die Seite der PLO gestellt? Und war dies der Hintergrund der Agenten-Vorwürfe gegen Sie?
Das kann ich letztlich nicht beurteilen und will das auch nicht. Solche Dinge haben sicher eine Rolle gespielt. Was im einzelnen ablief, darum habe ich mich nicht gekümmert.
Ein ganz wichtiger Faktor zu meinem Schutz und dem meiner Kinder war immer, wirklich von nichts zu wissen. Ich habe mich von den politischen Auseinandersetzungen bewußt ferngehalten. Meine Kontakte zu palästinensischen Funktionären waren immer privat und freundschaftlich.
In dem Buch wird angenommen, daß Sie als eine der wenigen Personen in der Bundesrepublik wissen mußten, daß eine Reihe von RAF-Aussteigern nicht im Nahen Osten, sondern im ganz Nahen Osten untergetaucht waren.
Auch das habe ich nicht gewußt, sondern wie alle Leute aus der Presse erfahren. Ich habe das der DDR auch gar nicht zugetraut.
Im 'Spiegel‘-Artikel findet sich eine sehr rätselhafte Andeutung über einen Anschlag auf den Frankfurter Flughafen, bei dem im Jahr 1985 drei Menschen ums Leben kamen und zahlreiche verletzt wurden. Ihr früherer Mann sei verantwortlich für dieses Attentat.
Solche Konstruktionen sind einfach infam. Am 17. August 1984 wurde in Madrid auf meinen geschiedenen Mann ein Attentat verübt. Er wurde lebensgefährlich verletzt, lag lange im Koma und blieb über ein Jahr vollständig gelähmt. Als hier auf dem Flughafen diese Bombe hochging, war mein Mann schwerstkrank. Da haben die Herren des 'Spiegel‘ offenbar schlampig recherchiert. Und was meinen angeblichen Schutz angeht: Wovor sollte ich denn eigentlich geschützt werden? Es gab doch nichts, was man mir hätte anhängen können. Es gibt offensichtlich keine Beweise wegen irgend etwas gegen mich, einfach, weil es sie nicht geben kann. Ich habe jahrelang ganz offen im Jemen gelebt und mich meinen Kindern gewidmet.
Aber Sie haben dort Leute aus der RAF kennengelernt, wenn die im Jemen ihre Waffenlehrgänge absolviert haben?
Nein, eben nicht. Ich habe mich von politischen Zusammenhängen ferngehalten.
Heißt das, die sind Ihnen in Aden gar nicht über den Weg gelaufen?
Nein, nach 1976 nicht. Damals habe ich entschieden, daß bewaffneter Kampf für mich ganz persönlich kein politisches Mittel ist. Ab diesem Zeitpunkt gab es keine Kontakte.
In dem Buch wird weiter behauptet, Sie hätten über Inge Viett als angebliche Stasi-IM und über den arabischen Lebensgefährten einer dritten deutschen Frau im Jemen eine konspirative Wohnung in Paris an die westdeutschen Behörden verraten, woraufhin dort im Mai 1980 Sieglinde Hofmann von der RAF und vier Frauen der „Bewegung 2. Juni“ verhaftet wurden.
Hatten Sie Kenntnisse über die RAF-Infrastruktur in Europa?
Selbstverständlich nicht. Ich hatte keine Ahnung, daß es diese Wohnung gab. Es gab außer mir in Aden keine deutsche Frau mit einem arabischen Mann, jedenfalls kenne ich keine.
Verlief Ihre Rückkehr in die Bundesrepublik 1980 so reibungslos, wie es in dem Buch beschrieben wird?
Ja und Nein. Weitgehend reibungslos verlief der offizielle Aspekt der Rückkehr. Das heißt, ich wurde niemals verhaftet oder vorgeladen. Aber andererseits wurde ich jahrelang bedroht und auch verfolgt, sei es durch Observationen, durch Erpressungsversuche und ähnliches. Nach der Geburt meines Sohnes bin ich nach Beirut geflogen, um meinem Mann das Kind vorzustellen. Ich kehrte dann im Sommer 1981 noch mal zurück. Als ich — damals in Hamburg — meine Zelte abbrach und Pakete für die Wiederausreise zur Post brachte, wurde ich von einem Mann angesprochen, der vorgab, mich zu kennen, und meinte, er könne meine Abreise verhindern.
Sie wissen nicht, aus welcher Ecke der kam?
Nein, der konnte von überall kommen. Bis heute weiß ich nicht, von welchem Verein der geschickt wurde. Am nächsten Tag lag ein Drohbrief vor meiner Tür, in dem man mich zwingen wollte, Informationen über Brigitte Mohnhaupt zu liefern. Ich habe noch am selben Tag die Bundesrepublik fluchtartig verlassen und bin über Jugoslawien und Kuwait nach Beirut geflogen.
Trotz allem — die Frage steht doch im Raum, warum Sie nach Ihrer Rückkehr niemals, zum Beispiel wegen Mitgliedschaft in irgendeiner terroristischen Vereinigung, verhaftet wurden. Schließlich waren Sie für den Staatsschutz eine Person, die untergetaucht war.
Es war für die sinnvoller, mich in Ruhe zu lassen. So ließ sich das allgemeine Mißtrauen gegen meine Person konservieren.
Gab es vor Ihrer Rückkehr so etwas wie Vorabklärungen, was Sie zu Hause zu erwarten hätten, etwa nach dem Muster, wie es später vom Verfassungsschutz möglichen Aussteigern angeboten wurde?
Ich bin zwar zunächst inkognito eingereist. Aber dann habe ich über meinen Anwalt Erkundigungen einholen lassen, ob es einen Haftbefehl gibt und so weiter. Sechs Wochen habe ich mich versteckt gehalten, um möglicherweise das Land auch heimlich wieder verlassen zu können. Na ja, schon wegen meines dicken Bauches — ich war hochschwanger — hatte ich wahrscheinlich gute Karten. Die Antwort lautete schließlich, es gebe weder Haftbefehl noch Ermittlungsverfahren, das könne sich allerdings ändern, wenn neue Erkenntnisse auftauchen würden. Das Risiko bin ich dann eingegangen.
Sie haben nach Ihrer Rückkehr Observationen bemerkt. Aber es ist nie jemand, zum Beispiel vom BKA, an der Tür erschienen, um sie offen anzusprechen?
Doch. Nach der Verhaftung von Brigitte Mohnhaupt gab es ein Drohschreiben in gebrochenem Englisch an die 'Frankfurter Rundschau‘, in dem mir vorgeworfen wurde, ich hätte sie hochgehen lassen. Daraus hat das BKA geschlossen, wenn die Frau bedroht wird, muß sie auch etwas gewußt haben, und erst mal meine Wohnung durchsucht, Papiere mitgenommen und nach Fingerabdrücken von Brigitte Mohnhaupt gesucht. Es gab aber keine.
Sie haben gesagt, Sie seien seinerzeit bewußt das Risiko eingegangen, daß sich die Erkenntnislage der Staatsschützer ändert und Sie dann doch verhaftet werden. Hatten Sie etwas zu befürchten?
Nein, das habe ich nicht. Aber das ist ja auch nicht notwendig in der BRD. Eine Beweislage — das ist mir durchaus bewußt — kann auch produziert werden. Ich habe nie in der Illusion gelebt: ich habe nichts gemacht, also kann es gegen mich auch nichts geben.
Sie versuchen, gegen den Beitrag des 'Spiegels‘ und auch das Buch in der vorliegenden Form juristisch vorzugehen. Was befürchten Sie konkret als Folge dieser Veröffentlichung?
Ich habe hier in den letzten zehn Jahren versucht, Schritt für Schritt Normalität in mein Leben und das meiner Kinder zu bringen. Das alles ist durch diese Veröffentlichungen hochgradig gefährdet.
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