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INTERVIEW„Arbeitgeber sind zur Besinnung gekommen“

■ Klaus Zwickel, stellvertretender Vorsitzender der IG Metall, über die erzielte Einigung im Stahl-Tarifstreit und über die Perspektiven künftiger Tarifrunden im Metallbereich

taz: Herr Zwickel, am vergangenen Freitag hat der Verhandlungsführer der Arbeitgeber, Ulrich Schmithals, erklärt, es werde kein neues Angebot geben. Nach Ihrer Einschätzung vom Freitag war der Streik damit „unvermeidbar“. Wie erklären Sie sich den Umschwung?

Klaus Zwickel: Ich glaube, daß das eindeutige Votum unserer Mitglieder für einen Streik die Arbeitgeber noch in letzter Minute veranlaßt hat, ihre Position zu überdenken und am Sonntag ein entsprechendes Angebot zu unterbreiten.

Die Arbeitgeber sind also auf die IGM zugegangen?

Ja, die Arbeitgeber hatten den Wunsch, einen letzten Lösungsversuch zu unternehmen. Das Gespräch hätte scheitern können, aber ich glaube, daß wir von der IG Metall mit dem Ergebnis einen guten und vertretbaren Kompromiß erreicht haben.

Eine Einigung zwischen Urabstimmung und Streikbeginn hat es in der Stahlindustrie nie zuvor gegeben. Zeigt das Angebot, daß der Streik der IG Metall leichter gefallen wäre als den Arbeitgebern?

Ich kenne die Motive der Arbeitgeber nicht in allen Details, aber sie haben ja offensichtlich darauf gesetzt, im Stahlbereich die von vielen Arbeitgebern und Politikern propagierte „tarifpolitische Wende“ durchzusetzen. Unter dem Eindruck des Streikvotums vom letzten Wochenende sind die Arbeitgeber dann zur Besinnung gekommen. Und von daher sehe ich in der Einigung auch einen Sieg für die Tarifautonomie.

Ist es nicht auch ein spezieller Sieg der relativ kleinen Stahlbranche, denn in der Metallindustrie dürfte es der IG Metall — wegen der Novellierung des Arbeitsförderungsgesetzes — doch wesentlich schwerer fallen, einen Streik über längere Zeit durchzuhalten?

Die Größenordnung des Tarifgebietes ist für uns keine strategische Frage. Wir haben überall, egal wie groß die Branche ist, die Interessen der Mitglieder zu vertreten.

Aber in der Stahlindustrie ist die IGM streikfähiger als anderswo...

Die IG Metall ist sowohl in der Eisen- und Stahlindustrie als auch in der Metallindustrie streikfähig.

Daimler-Benz-Chef Edzard Reuter hat für die Metallindustrie eine 4 vor dem Komma gefordert und Härte angedroht. Es sei ein Fehler der Metallarbeitgeber in der Vergangenheit gewesen, wegen eines halben Prozentpunktes den Streik gescheut zu haben. Wie bewerten Sie diese Position?

Das ist politische Brandstifterei. Das jetzt erzielte Ergebnis stellt einen interessanten tarifpolitischen Korridor dar, der alle weiteren Tarifrunden nicht negativ belastet. Fakt ist, daß der größte Teil dieses Abschlusses im Gesamtvolumen von 6,34 Prozent in diesem Jahr wirksam wird und eine interessante Vorlage darstellt, an der man sich weiter orientieren kann. Interview: Walter Jakobs

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