INTERVIEW: Ostabgeordnete wollen mehr Dampf machen
■ SPD-Parlamentarier Ostberlins gingen — ohne ihre Westkollegen — in Klausur, um Stimmungslage auszuloten
Unter den SPD-Abgeordneten aus Ost-Berlin macht sich Unmut breit. Sie sehen ihre Anliegen im Parlament zuwenig berücksichtigt. Schon öfters haben sich die Ostkollegen der SPD ohne ihre Kollegen aus dem Westen getroffen. Diesmal war der Unmut groß. Am Wochenende gingen sie auch diesmal ohne ihre Westkollegen in Klausur, um ein Resümee der bisherigen Landespolitik zu ziehen — immerhin bilden die Ostabgeordneten die Hälfte der Fraktion. Sie fordern eine stärkere Berücksichtigung der Ostberliner in der Landespolitik vor allem in den Bereichen Arbeitsmarkt und Wohnungspolitik. Dieter Rulff sprach mit dem parlamentarischen Geschäftsführer der Partei, Helmut Fechner über die Ergebnisse der Beratung.
taz: Herr Fechner, was hat die Ostabgeordneten der SPD bewogen, auf die Barrikaden zu gehen?
Fechner: Im Ostteil der Stadt ist der Unmut der Menschen darüber groß, daß offensichtlich die existentiellen Sorgen, die die Menschen haben, besonders im Bereich der Sicherung der Arbeitsplätze, aber auch die Wohnungs- und Verkehrsprobleme, sich in der Landespolitik nicht in dem notwendigen Maße widerspiegeln. Das gilt für den Senat wie für das Abgeordnetenhaus.
Ist die Stimmung in Ost-Berlin explosiv?
Mir scheint sie eher resignativ zu sein. Es ist schon so, daß bei den Menschen, mit denen man spricht, sei es in den Betrieben, die immer noch im Umgestaltungsprozeß sind, aber auch in Wartezimmern oder bei Familienfeiern, ein hohes Maß an Unzufriedenheit da ist. Das ist besonders so, weil die Menschen glauben, daß keine politischen Konzepte da sind, um mit den schwierigen Problemen richtig umzugehen.
Was muß sich denn an der Politik des Senats ändern, damit die Interessen der Ostberliner Bürger entsprechend berücksichtigt werden?
Die Probleme können sicher nicht alleine durch die Landespolitik gelöst werden. Es geht sicher auch eine Menge in Richtung Bonn. So die Klärung der Frage, wie die Treuhand mit Betrieben umgeht, die offensichtlich nicht mehr zu verkaufen sind, die aber für den Industriestandort Berlin ganz wichtig sind. Hier denken wir an eine Bundesratsinitiative. Es gibt aber auch Bereiche, in denen das Land Berlin aktiver werden muß, so zum Beispiel bei der Sicherung von Arbeitsplätzen oder bei der personellen Verstärkung des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen. Wir werden überall initiativ werden, wo es im Verwaltungshandeln klemmt.
Werden die Ostpolitiker zukünftig auch parteiübergreifend auftreten, um ihren Westkollegen auf die Füße zu treten?
Ich kann nicht sagen, was die Kollegen der anderen Fraktionen tun, aber wir werden dafür Sorge tragen, daß diese Probleme stärker in den Mittelpunkt politischer Aktivitäten gestellt werden.
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