INTERVIEW: Gegen bloße Zweisamkeit
■ Christian Pulz, Bündnis-90-Abgeordneter in Berlin, ist gegen die Homo-Ehe und fordert ein alternatives Rechtsinstitut
taz: Herr Pulz, Sie leben seit sieben Jahren mit Ihrem Freund zusammen. Warum haben Sie sich nicht am Homo-Marsch auf die Standesämter beteiligt?
Christian Pulz: Ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß sich der Staat in meine Beziehung einschaltet und ich, im Falle der Trennung, ein Gericht um Erlaubnis fragen müßte. Menschliche Beziehungen sind Privatsache, staatliche Bevormundung ist mit meiner Würde unvereinbar.
Dennoch bedeutet das Ehe-Verbot für Lesben und Schwulen eine offenkundige Diskriminierung...
In dieser Hinsicht ist die Standesamt-Aktion auch interessant und wichtig. Allerdings darf man nicht vergessen, daß die Homo-Ehe nur eine Minderheit der Lesben und Schwulen betrifft. Die wenigsten leben in festen Beziehungen. Es muß politisch darum gehen, um die Rechte aller Anderslebenden zu ringen. Statt die Hetero-Ehe nur auf homosexuelle Paare auszudehnen, sollte vielmehr ein alternatives Rechtsinstitut für alle Lebensgemeinschaften geschaffen werden, auch für Wohngemeinschaften. Bloße Zweisamkeit braucht vom Staat nicht belohnt zu werden.
Und wie soll ein solches Rechtsinstitut aussehen?
Es geht darum, die Rechte der Hetero-Ehe unterhalb des formalen Levels dieser Zwangseinrichtung zu regeln und sie niemandem mehr vorzuenthalten. Um für den oder die Lebenspartner das Auskunftsrecht im Krankheitsfall, das Zeugnisverweigerungsrecht, Erbschafts- und Vermögensfragen zu klären, sollte der Gang zu einem Notar genügen. Ein Rechtsinstitut soll die Partnerschaftsverträge, die schon jetzt beim Notar geschlossen werden können, zu einem Paket schnüren und damit die Prozedur vereinfachen.
Wie wollen Sie Ihren Parlamentskollegen die „Mini-Ehe“ für alle schmackhaft machen?
Meine Fraktion plant als ersten Schritt eine Bundesratsinitiative für ein Gesetz für nichteheliche Partnerschaften. Ich denke, daß ein solches Rechtsinstitut, das wohl vorerst neben der Ehe existieren müßte, auch für viele Heteros attraktiv ist, die ohne besondere Verpflichtungen zusammenleben wollen. Da es viele Formen von Partnerschaften gibt, die als Konkurrenz zur Ehe aufgefaßt werden, aber für die Menschen viel brauchbarer und lebensnäher sind, rechne ich bei Schaffung eines alternativen Rechtsinstitutes mit großem Andrang. Langfristig könnte darüber sogar die Abschaffung der Ehe betrieben werden. Interview: Micha Schulze
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