INTERVIEW: »Tagtäglich vorleben, daß Deutschland anders ist«
■ Der Geschäftsführer der Olympia GmbH Axel Nawrocki zu den rassistischen Überfällen der letzten Wochen und die Schäden für Olympia in Berlin
taz: Die Olympia-Bewerbung ist auf eine positive Stimmung des Auslands gegenüber Deutschland angewiesen. Welchen Schaden haben die rassistischen Überfälle der letzten Wochen angerichtet?
Nawrocki: Wir können heute nicht übersehen, welcher Schaden entstanden ist. Daß aber die Exzesse schädlich sind für die Bewerbung, das liegt auf der Hand.
Kann man die Bewerbung abschreiben, wenn die Ausschreitungen weitergehen?
Wenn es ein ganz klares und generelles Anwachsen von Rechtsradikalismus in Deutschland geben würde — was ich derzeit nicht sehe —, wäre das absolut schädlich, um nach Deutschland einzuladen. Oder wir müßten besonders offensiv sein und sagen, jetzt müssen wir erst recht Olympia haben.
Ist Rostock als Synonym für Ausländerfeindlichkeit beim IOC als geplanter Austragungsort für die Segelwettbewerbe untragbar?
Nein. Es gibt gegenwärtig noch überhaupt keine derartigen Reaktionen beim IOC. Manche IOC-Mitglieder kennen durchaus Deutschland und die besonderen sozialen Probleme in Ostdeutschland. Dieses Verständnis könnte sich allerdings ändern, wenn wir diese Dinge nicht in den Griff bekommen.
Sie müssen die Deutschen öffentlich warnen, daß mit den rassistischen Überfällen die Chance auf Olympia verspielt wird.
Das ist richtig. Das tun wir auch — mit unseren bescheidenen Mitteln. Ich wünschte mir, ich könnte diesen Landsleuten zurufen: Wißt ihr eigentlich, was ihr da tut. Wir sind aber nicht so bedeutend, daß wir große Zeitungsanzeigen bezahlen können.
Erzwingen die jetzigen Ereignisse nicht auch eine Auseinandersetzung mit der Olympiade von 1936?
Wir haben nie bestritten, daß eine solche Auseinandersetzung notwendig ist. Wir streiten nur über die Art und Weise. Ich berufe mich dabei auf den verstorbenen Heinz Galinski. Der hat mir empfohlen, keine Kongresse zu organisieren, weil man diese Vergangenheit eben nicht mit Hilfe von noch so gut organisierten Kongressen bewältigen kann. Er hat gesagt, ihr müßt tagtäglich vorleben und zeigen, daß Deutschland heute anders ist. Wir müssen gerade unter Nutzung des Olympia-Stadions von 1936 der Welt im Jahre 2000 zeigen, daß hier ein großer, liberaler Rechtsstaat sich präsentiert. Entscheidend ist der Geist, der dann in diesem Stadion herrscht.
Zu zeigen, daß Deutschland anders ist, muß heute passieren.
Das tun wir, indem wir in unseren internationalen Kontakten deutlich machen, daß wir die gegenwärtigen Vorfälle zutiefst verabscheuen und keine Rechtsradikalen sind.
Neben das Reden müßte auch aktives Handeln treten.
Reden ist sehr aktiv. Aber natürlich werden wir mit Blick auf die Spiele von 1936 Kulturprogramme und Rahmenprogramme machen, die weit entfernt von dem sind, was man unter teutonendeutsch negativ verstehen könnte.
Es gibt die auch von der Olympia GmbH mitgetragene Idee, Flüchtlingskinder aus Sarajevo nach Berlin einzuladen. Aktionen gegen die Ausländerfeindlichkeit bieten sich ebenfalls an.
Wir werden verschiedene Programme entwickeln und dann auch vorstellen. Wir tun bereits einiges, aber hängen das nicht an die große Glocke. Wir hatten beispielsweise in der letzten Woche Herrn Flatow aus Amsterdam in Berlin, dessen Vater — ein bedeutender Berliner Sportler — in Theresienstadt umgekommen ist. Wir tun, was wir mit vierzig Leuten tun können. Aber wir werden nicht in der Lage sein, gesellschaftliche Fehlentwicklungen einer ganzen Nation in den Griff zu bekommen. Interview: Gerd Nowakowski
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