IN SPANIEN ERSTARKEN DIE NATIONALISTEN – DOCH ES GEHT UMS GELD : Reiche Regionen wollen es ungleicher
25 Jahre nach Einführung der spanischen Verfassung wird den Nationalisten im Baskenland und in Katalonien das Kleid zu eng, das einst auf sie zugeschneidert wurde. Spanien ist ein asymmetrischer Föderalstaat – die historischen Regionen mit eigener Sprache, wie das Baskenland, Katalonien und Galicien, haben mehr Rechte. Inzwischen haben auch die Nichthistorischen Kompetenzen, vor allem im Bildungs- und Gesundheitswesen, übertragen bekommen. Nun wollen sich die Nationalisten erneut absetzen. Sie wollen es noch ungleicher.
Die baskische Regierung will einen Plan umsetzen, dem zufolge die Nordregion künftig nur noch frei mit dem restlichen Spanien assoziiert wäre. In Katalonien regiert seit dieser Woche ein Bündnis aus den radikalen Nationalisten der Republikanischen Linken Kataloniens (ERC) und den Sozialisten. Diese neue Regierung, die sich als „Katalanismus von links“ sieht, will künftig die Steuern selbst eintreiben und nur noch einen unerheblichen Teil an Madrid abgeben. In beiden Fällen soll das Autonomiestatut geändert werden. Wenn es nicht anders geht, auch gegen den Willen Madrids.
Die dort regierende konservative Volkspartei (PP) von José María Aznar reagiert mit einem längst überholt geglaubten spanischen – sprich zentralstaatlichen – Nationalismus. Das deutlichste Symbol sind die spanischen Flaggen, die überall in der Hauptstadt hängen. Die größte auf dem Platz des Amerika-Entdeckers Columbus. Sie ist so groß und schwer, dass das Tuch erst ab Windstärke acht flattert. Politisch setzt Aznar den Nationalisten die eigene Unflexibilität entgegen. Eilig erließ er ein Gesetz, das eigenmächtig abgehaltene Volksbefragungen – etwa in den autonomen Regionen zu einem neuen Statut – mit Haftstrafe belegt.
Solcherlei Vorgehen macht die Problemlage nur noch explosiver, erlaubt diese Politik doch den Nationalisten einmal mehr, ihre angebliche Opferrolle zu beweinen. Dabei wird dann vergessen, um was es eigentlich geht – nämlich ums Geld. „Madrid beklaut uns“, rufen die Nationalisten immer wieder. Sie ignorieren dabei, dass die Zentralregierung einen nicht unerheblichen Teil der Steuern aus den reichen Regionen für die Entwicklung der ärmeren ausgibt.
Gleiche Kompetenzen für alle, lautete einst eine der Forderungen im Verfassungsprozess. Die Nationalisten verneinten sie. Heute, 25 Jahre später, wollen sie sich vom gemeinsamen Tisch zurückziehen und separat dinieren. Wer bei diesem gefährlichen Spiel letztendlich weniger auf dem Teller hat, ist klar. Die armen Regionen, die sich, als wäre das nicht genug, von der nationalistischen Propaganda vorwerfen lassen müssen, die Unterdrücker zu sein. REINER WANDLER