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IN SERBIEN WIRD DIE OPPOSITION BALD AUCH REGIERUNG SEINEin bunter Verein

Gar keine Frage: Die „Demokratische Opposition Serbiens“ (DOS) wird bei den vorgezogenen Parlamentswahlen in Serbien am Samstag überzeugend siegen. Doch ob der bunte Verein, zusammengesetzt aus achtzehn grundverschiedenen Parteien und Bewegungen, lange genug einig bleiben kann, um die gewaltigen Probleme in Serbien zu meistern und stabile demokratische Verhältnisse für die Zukunft zu schaffen, ist eine andere Frage.

Im Prinzip gibt es nur zwei seriöse Parteien innerhalb der DOS: die „Demokratische Partei“ (DS), deren Vorsitzender Zoran Djindjić künftig wohl Ministerpräsident Serbiens sein wird, und die „Demokratische Partei Serbiens“ (DSS), deren Vorsitzender Vojislav Koštunica im Herbst jugoslawischer Staatspräsident geworden ist. Sie haben sich darauf geeinigt, jeweils 26 Prozent der Mandate im Parlament zu besetzen. Die anderen Parteien, die es im Alleingang gar nicht ins Parlament schaffen würden, werden unter sich den Rest aufteilen.

Der Konflikt zwischen dem konservativ, religiös und national orientierten Koštunica und dem pragmatischen, bürgerlich orientierten, flexiblen Djindjić zeichnete sich schon wenige Tage nach der „Oktoberrevolution“ ab. Ihre Rollen in der zukünftigen Machtstruktur sind unnatürlich verteilt: Koštunica ist Präsident der Jugoslawischen Föderation, deren Zukunft ungewiss ist. Er hat nur protokollarische Befugnisse, genießt jedoch die Unterstützung von rund 75 Prozent der DOS-Anhänger. Djindjić wird als serbischer Premier der formal mächtigste Politiker im Lande werden, doch nach jüngsten Umfragen sehen ihn lediglich fünf Prozent der DOS Wähler als einen Politiker, dem sie „allergrößtes“ Vertrauen entgegenbringen. Ein Machtkampf zwischen den beiden und somit der Zerfall der DOS, steht sicher noch bevor – zumal das Koalitionsabkommen ohnehin vorsieht, dass man sich trennt, wenn die Zeit reif wird. So kann man nur hoffen, dass Koštunica und Djindjić gezwungen werden, ihre persönlichen Animositäten im allgemeinen Interesse so lange zu zügeln, bis sich die Verhältnisse in Serbien stabilisiert haben.

Die innere Vielfalt der DOS könnte sich aber mit etwas Glück als ein Vorteil für Serbien erweisen. Denn falls die DOS, wie es einige Meinungsumfragen vorhersagen, tatsächlich etwa 80 Prozent der Stimmen gewinnt und ihre politischen Gegner wegpustet, hätte Serbien gar keine Opposition mehr: Es würde eine allgemeine Gleichschaltung drohen. So aber wird die DOS gleichzeitig das Regime und die schärfste Opposition bilden – dafür werden schon die eitlen und zerstrittenen DOS- Führer sorgen. ANDREJ IVANJI

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