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Archiv-Artikel

IN PEKING VERKAUFEN STRASSENHÄNDLER KLEINTIERE ALS SCHLÜSSELANHÄNGER Lebende Accessoires

AUS CHINA VON FELIX LEE

Die Haustierhaltung hat in China durchaus Tradition. Grillen etwa: Vor allem ältere Herren stecken sie in kleine schmucke Holzkäfige, die sie mit frischen Salatblättern auslegen. An lauen Sommermonaten hängen sie ihre Freunde ans Fenster und lauschen in den Abendstunden ihrem Zirpen. Allzu lang überleben die Tiere zwar nicht – meist nur ein paar Wochen. Grillen zirpen aber nur, wenn sie sich wirklich wohlfühlen. Und das tun sie meistens auch.

Dieses Bewusstsein scheint bei manchen in China allerdings verloren gegangen zu sein. Tierfreunden ist ein Spaziergang über einen der chinesischen Nachtmärkte derzeit nicht zu empfehlen. Hunde, Kätzchen und Nagetiere werden dort in engen Käfigen angeboten. Zur Steigerung ihres Verkaufswerts wird ihnen das Fell grell gefärbt. Neuester Schrei: Schildkröten oder Eidechsen, die als Schlüsselanhänger angeboten werden, und zwar lebend.

Die Tiere sind in etwa zehn Zentimeter lange und fünf Zentimeter breite durchsichtige Plastikhüllen geschweißt und schwimmen in einer farbigen Flüssigkeit. Straßenverkäufer, die diese Accessoires für umgerechnet rund 1,20 Euro anbieten, behaupten, in der Flüssigkeit befänden sich Nahrungsstoffe und Sauerstoff. Sie könnten darin mehrere Monate überleben.

Das ist gelogen, behaupten hingegen Tierrechtler. Bereits nach nur wenigen Stunden seien die Tiere qualvoll gestorben, sagt Zhang Lu vom Chinese Animal Protection Network: erstickt, von der Flüssigkeit vergiftet oder schlicht und einfach zerquetscht. Die vielen Erschütterungen, denen die Tiere als Schlüsselanhänger ausgesetzt sind, würde kein Lebewesen lange überleben.

„Scheußlich“ findet der 28-jährige Nachtmarktgänger Liu Jun die Schlüsselanhänger: „Wie kann man gegenüber Lebewesen nur so grausam sein.“ Er beklagt das allgemein mangelnde Tierschutzbewusstsein. „Für die meisten meiner Landsleute sind Tiere einfach nur Gegenstände.“

Der Onlinepetitionsdienst Avaaz hat eine Unterschriftensammlung gestartet. Der Aufruf richtet sich direkt an die Vereinten Nationen. Die realistische Einschätzung der Tierschutzaktivisten: Eine Petition an die eigene Regierung bliebe ungehört. Sie erhoffen sich mehr Erfolg, wenn die UNO die chinesische Führung auffordern würde, diese Art des Schmuckverkaufs zu verbieten. Seitdem die Kampagne im März begonnen hat, haben bereits 350.000 Menschen unterzeichnet. Das Ziel liegt bei einer halben Million Unterschriften.

Die in Hongkong ansässige Tierschutzorganisation Animals Asia hat sich dem Protest ebenfalls angeschlossen. Sie fordert einen gesetzlich verankerten Tierschutz in China. Denn dadurch könnten Quälereien dieser Art verhindert und die Hersteller zur Verantwortung gezogen werden, glaubt Animals-Asia-Direktor David Neale.

Er warnt zudem vor gesundheitlichen Folgen. Gerade Schildkröten seien Überträger von Krankheiten. Und vor deren Ausbreitung böten die Plastikhüllen keinen ausreichenden Schutz.