IN DER S-BAHN : Manager erschießen?
Voller Preis für eine reduzierte Leistung: Das vollbringt die Berliner S-Bahn. Die Firma ist zwar noch lange vom Normalbetrieb entfernt, nachdem sie der Mutterkonzern Deutsche Bahn AG kaputtgespart hat, um seine Bilanzen für einen Börsengang zu frisieren. Damit dennoch jeder Fahrgast voll zahle und sie ja keinen Cent verlöre, lässt die S-Bahn derzeit wieder häufiger die Fahrgäste überprüfen und schickt ihre Kontrolettis los. Neulich morgens war es wieder so weit in der vollbesetzten Bahn.
„Entschuldijen Sie“, spricht ein Mann um die 40 den Kontrolleur an, der gerade seinen Fahrschein anguckt. „Wollnse nich lieba inne Werkstatt jehn und dafür sorjen, dass jenüjend Züge fahrn könn, anstatt hier die Leute zu übaprüfn?“ Der junge Kontrolleur stutzt kurz. „Wieso, ick bin doch keen Mechanika?“, erwidert er schließlich barsch. „Lassense sich doch umschuln! Ick valange nen zuvalässijen Zuchvakehr für meen Jeld.“ „Beschwernse sich doch bei der Hotline der S-Bahn!“ „Mach ick, aba ick beschwere mich ooch bei Ihnen. Sajense Ihrm Chef, dass die Kunden unzufrieden sind“, gab der Passagier keine Ruhe. „Dit wird den nich interessiern.“ „Gloob ick nich. Wenn die Unzufriedenen keene S-Bahn mehr fahrn, jibts bald keene Leute mehr zum Kontrolliern.“
Die anderen Fahrgäste in dem vollen Zug verfolgen den Disput bislang regungslos. Jetzt aber schaltet sich eine Frau ein. „Der Mann hat recht, die Kunden sind unzufrieden.“ „Ja“, sagt ihre Bekannte, „aba dafür kann doch so een kleena Kontrolleur nüscht.“ „Dit stimmt“, meint ein älterer Herr, „solla denn sein Manager erschießn?“
Endlich fuhr der Zug in den nächsten Bahnhof ein. „Ick muss mir donich dumm vonna Seite anquatschn lassn“, brummt der Kontrolleur seinen beiden Kollegen zu, die ihm inzwischen zu Hilfe geeilt sind. Die drei steigen aus und huschen in den nächsten Waggon. RICHARD ROTHER