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Archiv-Artikel

IM NEUEN UFER IN SCHÖNEBERG WIRD DAVID BOWIES GEBURTSTAG GEFEIERT. DIE FANS SIND NETT, DIE KELLNER SUPER. DANN WIRD GESUNGEN Wir haben ein schönes Leben

VON DETLEF KUHLBRODT

AUSGEHEN UND RUMSTEHEN

Das Wochenende stand im Zeichen des Geburtstags von David Bowie, der im „Neuen Ufer“ in der Hauptstraße gefeiert wurde. Eigentlich war der Geburtstag schon am 8., aber das macht ja nichts. Früher hatte das Café „Anderes Ufer“ geheißen. Vor 35 Jahren ungefähr hatte der berühmte Popstar in der Gegend gewohnt. Eines Nachts waren dem schwulen Café die Scheiben eingeworfen worden; David Bowie war zufällig des Wegs gekommen, hatte Wache vor dem Café gestanden und am nächsten Tag eine neue Scheibe spendiert, so erzählt man sich.

Es ist halb acht. Auf dem Weg zum Café regnet es in Strömen. Erst falle ich hin, weil sich ein Schnürsenkel im Pedal verheddert hat, dann hat mein Fahrrad auch noch einen Platten. Oje oje. An der Eingangstür des „Neuen Ufers“ steht: „We have a nice life.“ Diesen Satz sagt Bowie bekanntlich im Supermarkt zu Tilda Swinton in dem schönen Video zu „The Stars Are Out Tonight“.

Das Café ist gut gefüllt. Wir sitzen am Tresen. Kurz kommt ein bisschen Wehmut vorbei, weil ich Anfang der 80er hier auch manchmal saß. Genau genommen jede Woche für zwei Weizenbier. Es läuft gerade „Sound & Vision“. Tolles Lied! An der Wand hängen: Bowie-Bilder aus der Heroes-Zeit. Eines mit Dauerwelle ist besonders schön, weil er nicht nur sehr feminin, sondern auch lustig ausschaut, das berühmte „Rebel, Rebel“-Poster mit roter Latzhose und Saxofon. Dies und das und anderes.

An einem Tisch sitzen Frauen aus dem David-Bowie-Forum und plaudern gut gelaunt. Nur wenige haben sich sehr schick gemacht, zum Beispiel mit auf den Kopf gestellten Pupillen. Überhaupt ist der Frauenanteil größer als der Männeranteil. Die Fans sind jünger als gedacht, nicht um die 50, sondern unter 40. Einige sind aus anderen Städten angereist. S. sagt, die aktivsten Bowie-Fans kämen aus kleineren Städten. Wir kommen auch aus der Provinz sozusagen. Sie hat Bowie 2002 in Berlin gesehen, ich hatte ihn unter anderem zweimal in Bad Segeberg bewundern dürfen. 1983. M. hatte ihn auf der „Glass-Spider-Tour“ Ende der 80er gesehen. Alten Bowie-Fans gilt diese Tour als komplett misslungen, aber schön war’s doch!

Im Eingangsbereich ist ein DJ-Pult aufgebaut. Der DJ heißt Jürgen, ein sympathischer Graubart, mit Bäuchlein unter dem Aladdin-Sane-T-Shirt. „Es dürfen auch Wünsche geäußert werden.“ Der Fanclubvertreter heißt Klaus und hält eine kleine Rede. Seit zehn Jahren wird Bowies Geburtstag hier gefeiert. Es war eine schwere Zeit. Im Sommer 2004, nach einem Auftritt in Scheeßel, war Bowie zusammengebrochen und in Hamburg am Herzen operiert worden. Fast zehn Jahre lang hatte man nichts mehr gehört. Nur ein Pizzaverkäufer soll ihn mal gesehen haben. Die Geburtstagsfeiern im „Ufer“ waren auch nicht mehr so gut besucht. Zum Glück gab es dann das kleine Comeback vor einem Jahr. Leider ist sein Weggefährte Lou Reed letztes Jahr gestorben. Auf einer kleinen Leinwand läuft ein „Perfect Day“-Video mit Elton John, David Bowie und anderen Stars.

Dann tritt Duke Lemon auf. Er hat eine Gitarre dabei, sieht ein bisschen aus wie Lars Rudolph und singt „Where Are We Now“. Und später noch „My Death“, den Jacques-Brel-Klassiker. Genau wie in dem Ziggy-Stardust-Abschiedskonzert (bzw. dem Film davon) am 3. Juli 1973 ruft das Publikum im „Neuen Ufer“ in die kleine Kunstpause am Ende des Stücks „Me“, wo Bowie das „You“ verweigert beziehungsweise im „thank you“ aufhebt.

Am Tresen reden wir über das Werk des Meisters. Die Fans sind sehr nett. Einer ist Puppenbauer und hat auch eine Bowie-Puppe gebaut. Die Kellner sind auch super. Alles ist toll. S. sagt, für sie sei „Station to Station“ das größte Stück der Popgeschichte. Ich favorisiere eher „Life on Mars“. Dann gibt es Karaoke. Drei Engländer liefern eine brillante Version von „Under Pressure“, wir singen wie immer „Drive-in Saturday“. Dann ist es ganz schön, in der Nacht mit der U-Bahn nach Haus zu fahren.