■ IM NAMEN DES VOLKES: »Dealer« beim Handel mit der Gerechtigkeit
Justizpolitiker haben bei Einführung der »Kronzeugenregelung« in das deutsche Strafrecht vorhergesehen, was gestern in Moabit vorgeführt wurde: Je tiefer ein Dealer in das verbotene Geschäft eingetaucht ist, desto umfassender kann er die Strafverfolger an seinem Wissen über die von ihm initiierten Straftaten beteiligen: Der kleine Mitläufer, der Handlanger hingegen kann, selbst wenn er will, der Staatsanwaltschaft nicht so viele Namen nennen, nicht so viele Geschäfte offenbaren wie der Chef des »Konzerns«, den der Staatsanwalt hier zur Strecke gebracht sieht. Die Befürworter der Kronzeugenregelung haben einst als rechtspolitischen Grund das Interesse genannt, nicht nur die kleinen Dealer zu fangen, sondern — mit Hilfe geständiger Kumpane — an die ganz Großen im Geschäft ranzukommen, an diejenigen also, die sich die Hände nicht selbst schmutzig machen. Im gestern abgeschlossenen Verfahren hat der »ganz Große« sein Wissen über die Kleineren preisgegeben und sie der Justiz ans Messer geliefert. Er, der innerhalb weniger Jahre — nach Verbüßung einer langjährigen Freiheitsstrafe wegen Drogenhandels — erneut vor Gericht stand, erhielt für das Geständnis der Einfuhr und des Handels mit eineinhalb Tonnen zum Teil auch harter Drogen eine Strafe, die normalerweise für 2—3 Kilo Haschisch verhängt wird — gegen einen nicht vorbestraften Gelegenheitsdealer. An diesem Deal mit dem Dealer waren alle beteiligt: das Gericht und die Staatsanwaltschaft. Beide hätten statt für ein »Geschäft« mit einem Dealer für ein gerechtes Urteil sorgen müssen. Es wäre — auch unter der geltenden Kronzeugenregelung — möglich gewesen, nicht nur Recht, sondern auch Gerechtigkeit zu schaffen. Der Große, den sie haben so glimpflich davonkommen lassen, wird es ihnen vermutlich nicht danken. Johannes Eisenberg,
Verteidiger eines
der Angeklagten
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